Die zulässige Klage hat hinsichtlich des zur Entscheidung gestellten Klageantrags zu 1) Erfolg.
II.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus § 2314 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses einschließlich der im Klageantrag unter 1.a) bis 1.k) konkretisierten Auskünfte zu. Der Kläger hat zudem Anspruch darauf, dass bei dessen Aufnahme er selbst sowie sein rechtlicher Beistand hinzugezogen werden.
1. Die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs gemäß § 2314 Abs. 1 BGB liegen vor.
a) Der Kläger ist als Sohn des Erblassers Pflichtteilsberechtigter gemäß § 2303 BGB.
Er ist durch Verfügung von Todes wegen nicht Erbe geworden. Alleinerbin ist die Beklagte, sie ist somit Anspruchsgegnerin.
b) Die vom Erblasser in Ziffer VI seines notariellen Testaments vom … geregelte Pflichtteilsentziehung ist unwirksam.
Der Erblasser hat die in seinem Testament vom … unter Ziffer VI angeordnete Pflichtteilsentziehung ausdrücklich auf § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB gestützt. Der in § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB normierte Entziehungsgrund setzt voraus, dass der Abkömmling wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewahrung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Gemäß § 2336 Abs. 2 Satz 2 BGB muss die Tat zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung die Tat begangen sein und der Grund für die Unzumutbarkeit vorliegen.
aa) Es fehlt an den objektiven Voraussetzungen des Entziehungstatbestandes.
Weder hat die Beklagte aufgezeigt, noch ist sonst ersichtlich, dass der Kläger am […] eine vorsätzliche Straftat begangen hatte, wegen derer er zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt wurde.
In den von den Beklagten in Bezug genommenen Entscheidungen ist eine solche Verurteilung nicht erfolgt. Durch Urteil des Amtsgerichts […] Aktenzeichen: […] – vom […] ist der Kläger zwar u.a. wegen Betrugs zu vier Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt wurden: Bereits die gebildeten vier Gesamtfreiheitsstrafen lagen jedoch jeweils unterhalb eines Jahres. Auch die Verurteilung des Klägers durch Urteil des … Aktenzeichen: […] vom […] erfolgte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten und beträgt damit weniger als ein Jahr. Den Verurteilungen liegt damit keine Einzeltat zugrunde, die eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr nach sich gezogen hat.
Dass eine Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung oder gar die Addition mehrerer (Gesamt-)Freiheitsstrafen, die in der Summe zu mindestens einem Jahr führen, für § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB ausreichend wäre, lässt sich weder dem Wortlaut dieser Norm entnehmen noch mit deren Zweck vereinbaren. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll es auf die Schwere des sozialwidrigen Verhaltens des Pflichtteilsberechtigten ankommen, die in der "einen" Straftat ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. LG Bonn, Teilurt. v. 18.12.2019 – 2 O 66/19, ErbR 2020: 285 ff., juris Rn 34). Der Gesetzgeber stellt auf den Unrechtsgehalt der Tat ab, der durch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zum Ausdruck kommt. Bei der Verurteilung zu einer Gesamtstrafe ist daher auf die jeweiligen Einzelstrafen abzustellen (vgl. LG Bonn, a.a.O., Rn 34, MüKo zum BGB/Lange, 8. Aufl. 2020, § 2333 Rn 44). Eine andere Betrachtung würde der gesetzgeberischen Intention nicht gerecht. Der Testierfreiheit des Erblassers werden durch die Regelungen über das Pflichtteilsrecht Grenzen gesetzt. Dies ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers gerechtfertigt durch die engen familienrechtlichen Beziehungen zwischen Erblasser und Berechtigtem und soll eine gesetzliche Mindestteilhabe gewährleisten. Die Entziehung des Pflichtteils ist der schwerste Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Position des Pflichtteilsberechtigten (BT Drs.16/8954, S. 22). Daher können nur schwere schuldhafte Verfehlungen des Pflichtteilsberechtigten die grundsätzlich gesetzlich abgesicherte Mindestteilhabe am Erblasservermögen in Frage stellen. Bei deren Beurteilung auf die Einzelstrafe abzustellen ist gerechtfertigt, weil der konkreten Straftat dieses Gewicht zukommen muss. Dies wird auch daran deutlich, dass in den Gesetzesmaterialien ausgeführt ist, dass der Gesetzgeber (deshalb) darauf verzichtet hat, die Regelung an ein Verbrechen anzuknüpfen, damit vor allem schwere Vergehen aus dem Sexualstrafrecht erfasst werden (BT-Drucks16/8954, S. 24). Daraus lasst sich erkennen, dass das schwere sozialwidrige Fehlverhalten des Pflichtteilsberechtigten sich gerade in der konkreten (Einzel-)Tat niedergeschlagen haben muss. Andernfalls führte dies dazu, dass unter Umständen auch die Verwirklichung von weniger schwerwiegenden Vergehen – wie beispielsweise "Schwarzfahren" – die gesetzlich grundsätzlich vorgesehene Mindestteilhabe des Pflichtteilsberechtigten verhindern konnte, sofern der Pflichtteilsberechtigte diesen Straftatbestand...