LG Köln, Teilurteil v. 24.8.2020 – 24 O 394/19
Der Kläger macht gegen die Beklagte im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend.
Der Kläger ist der einzige Sohn des am […] geborenen und am […] in […] verstorbener […]
Mit vor dem Notar errichtetem notariellem Testament vom … widerrief der Erblasser vorsorglich seine zuvor getroffenen Verfügungen von Todes wegen und bestimmte die Beklagte, ein […] zur Alleinerben, der er zur Auflage macht, seinen Nachlass allein für Zwecke der von ihm naher bezeichneten […] mit angegliedertem […] der Beklagten zu verwenden. Zudem vermachte er seinem Enkelsohn einen Geldbetrag i.H.v. 40.000,00 EUR.
In der notariellen Urkunde heißt es unter Ziffer VI:
"Meinem Sohn entziehe ich gemäß § 2333 Abs. (1) Nr. 4 BGB den Pflichtteil."
Er hat mehrfach strafbare Handlungen begangen, wegen derer er zum Teil auch bereits strafrechtlich verurteilt worden ist. Derzeit befindet er sich zur Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe im Strafvollzug. Die Straftaten richteten sich zum Teil auch gegen Familienangehörige. Die Teilhabe meines Sohnes am Nachlass ist daher unzumutbar.
Der Notar hat mich darauf hingewiesen, dass die Pflichtteilsentziehung gemäß § 2333 Abs. (1) Nr. 4 BGB voraussetzt, dass die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass dem Erblasser wegen der Straftaten unzumutbar ist und dass die Tat zur Zeit der Errichtung des Testaments zumindest begangen sein worden muss.“
Der Kläger war vor Errichtung der notariellen Urkunde vom […] wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten.
Mit Urteil des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom […] war er wegen Betrugs unter Einbeziehung der Strafe aus einem Urteil des Amtsgericht […] und unter Auflösung der dortigen Gesamtstrafe zu einer Gesamtstrafe von neun Monaten, wegen Betrugs in vier Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einem Urteil des Amtsgerichts […] zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, wegen Betruges in sieben Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einem Urteil des Amtsgerichts […] zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten sowie wegen Betruges in sechs Fällen und Urkundenfälschung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Das Urteil ist rechtskräftig. Wegen der Einzelheiten wird auf das von der Beklagten als Anlage B1 vorgelegte Urteil Bezug genommen.
Mit Urteil des Amtsgerichts […] vom […] war der Kläger wegen Erschleichens von Leistungen in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden. Das Urteil ist rechtskräftig. Wegen der Einzelheiten wird auf das von der Beklagten als Anlage 82 vorgelegte Urteil Bezug genommen.
Am 19.3.2015 war der Kläger verhaftet worden. Er verblieb bis November 2018 Strafhaft. lm April 2019 wurde der Kläger erneut festgenommen
Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.10.2019 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses sowie zur Auszahlung seines. Pflichtteils auf. Die Beklagte wies mit anwaltlichem Schreiben vom 22.11.2018 die Ansprüche zurück und begründete dies damit, dem Kläger sei der Pflichtteil entzogen worden.
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die im notariellen Testament erfolgte Pflichtteilsentziehung nicht wirksam sei. Diese Pflichtentziehung genüge bereits nicht den formalen Anforderungen, die § 2336 BGB an eine solche stelle. Die konkreten Straftaten, auf die sich der Erblasser habe beziehen wollen, seien in seiner letztwilligen Verfügung nicht einmal im Kernsachverhalt angegeben. Es werde zudem nicht klar, um welche Straftaten es sich handele.
Der Kläger stellt zunächst den folgenden Antrag (Klageantrag zu 1) zur Entscheidung:
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am … in verstorbenen … geboren am zuletzt wohnhaft in … zu erteilen, wobei der Bestand des Nachlasses vom Todestag anzugeben ist, auch wenn sich der Bestand des Nachlasses zwischenzeitlich, etwa durch die Veräußerung von Nachlassgegenständen, geändert hat, und wobei hinsichtlich des Nachlasses die Auskunftserteilung durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses, bei dessen Aufnahme der Kläger sowie dessen rechtlicher Beistand hinzuzuziehen sind, zu erfolgen hat, und. dass insbesondere auf folgende Angaben zu enthalten hat:
a) alle im In und Ausland befindlichen Aktiva, also alle beweglichen und unbeweglichen Vermögensgegenstande sowie Forderungen, insbesondere Immobilien, Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Forderungen aus Miet-, Darlehens und sonstigen Verträgen, Steuererstattungsansprüche, sonstige Zahlungsansprüche, auch .wenn sie ungewiss, unsicher, bedingt oder befristet sind, Kontokorrent- und Sparkonten, Bargeldbestande, Bankschließfächer, Bankdepots, Aktien, Wertpapiere, Genussscheine, lnvestmentanteile, sonstige Anteile, Kunstgegenstande, Schmuck, unverarbeitete Edelmetalle sowie Gold und Silber, ungefasste Edelsteine und Perlen, Briefmarken-, Munz und sonst...