Die Steuerbegünstigung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ermöglicht den steuerfreien Erwerb einer Immobilie mit einer Wohnfläche von bis zu 200 m² durch Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 unter der Voraussetzung, dass dieses unverzüglich als Familienheim genutzt wird. Während sich die Vorgabe zur Wohnfläche häufig leicht feststellen lässt, entsteht um die Voraussetzung der unverzüglichen Selbstnutzung immer wieder Streit. Die Rechtsprechung ist bisher davon ausgegangen, dass eine unverzügliche Selbstnutzung vorliegt, wenn der Erbe innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht zu Selbstnutzung gefasst und umgesetzt hat. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall. Der BFH ging bisher davon aus, dass innerhalb von sechs Monaten der Erwerber prüfen kann, ob er einziehen will, die entsprechenden Renovierungsarbeiten durchführen lassen und den Umzug durchführen kann. Wurde die Selbstnutzung erst nach Ablauf von sechs Monaten aufgenommen, kann eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung dennoch vorliegen. Allerdings muss der Erwerber dann darlegen und glaubhaft machen, wann er sich zu Selbstnutzung entschlossen hat und warum sein tatsächlicher Einzug nicht früher möglich war und warum er dies nicht zu vertreten hat.
a) Die Entscheidung
An dieser Stelle setzt das Urteil des BFH an. Der Kläger war der Alleinerbe seines im Jahre 2013 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte eine vom Vater bis zu seinem Tod selbst genutzte Doppelhaushälfte. Der Kläger bewohnte die hieran direkt angrenzende Doppelhaushälfte. Er verband beide Doppelhaushälften zur gemeinsamen Wohnung. Die Renovierung und Sanierungsarbeiten zogen sich bis August 2016 hin. Ab diesem Zeitpunkt nutzte der Kläger beide Doppelhaushälften selbst. Das Finanzamt lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für den Erwerb der Doppelhaushälfte des verstorbenen Vaters ab. Das FG Münster wies die dagegen erhobene Klage ab. Das Finanzgericht war davon ausgegangen, dass eine unverzügliche Selbstnutzung nicht vorliegt und der Kläger die Überschreitung des angemessenen Zeitraums von sechs Monaten zu vertreten habe. Dabei sind Umstände im Einflussbereich des begünstigten Erwerbers, also diejenigen, die seiner Entscheidungsgewalt unterliegen (wie z.B. die Renovierung der Wohnung), nur unter besonderen Voraussetzungen nicht dem Erwerber anzulasten. Das kann der Fall sein, wenn die Renovierung deshalb länger dauert, weil nach Beginn der Renovierungsarbeiten ein gravierender Mangel der Wohnung entdeckt wird, der vor dem Einzug des Erwerbers beseitigt werden muss. Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Erbfall und dem tatsächlichen Einzug des Erwerbers in die Wohnung ist, umso höhere Anforderungen sind an die Darlegung des Erwerbers und seine Gründe für die verzögerte Nutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke zu stellen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Bevor der BFH die Frage der unverzüglichen Selbstnutzung entscheiden konnte, war zunächst zu klären, ob eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG vorliegend überhaupt in Betracht kam. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG kann auch den Erwerb einer auf einem bebauten Grundstück i.S.d. § 181 Abs. 1 BewG gelegenen Wohnung umfassen, wenn diese räumlich an die vom Erwerber bereits selbst genutzte Wohnung angrenzt und nach dem Erwerb beide Wohnungen zu einer einheitlichen selbst genutzten Wohnung verbunden werden. Hinsichtlich der Wohnflächenbegrenzung kommt es allein darauf an, dass die Größe der hinzu erworbenen Wohnung 200 m² nicht übersteigt. Ob die Gesamtwohnfläche der nach Verbindung entstandenen Wohnung mehr als 200 m² beträgt, ist nicht ausschlaggebend. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 4 c S. 1 ErbStG, der allein auf die Größe des erworbenen Familienheims abstellt. Der Erwerber muss die Wohnung "unverzüglich", d.h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB), zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmen. Unverzüglich erfolgt eine Handlung nur, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird. Der Senat bestätigt insoweit die grundsätzliche Frist von sechs Monaten.
Es obliegt dem Erwerber im Fall des Überschreitens der Sechs-Monats-Frist, die Renovierungsarbeiten und die Beseitigung etwaiger Mängel zeitlich so zu fördern, dass es nicht zu Verzögerungen kommt, die nach der Verkehrsanschauung als unangemessen anzusehen sind. Ein unverhältnismäßiger Aufwand zur zeitlichen Beschleunigung ist jedoch nicht erforderlich. Vielmehr reicht es aus, wenn der Erwerber alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreift. Eine zeitliche Verzögerung des Einzugs aufgrund von Renovierungsarbeiten ist dem Erwerber nicht anzulasten, wenn er die Arbeiten unverzüglich in Auftrag gibt, die beauftragten Handwerker sie aber aus Gründen, die der Erwerber nicht zu v...