Die Befreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG begünstigt den Erwerb der selbstgenutzten Wohnung des Erblassers, sofern diese nicht größer als 200 m² ist. Die Befreiung wird jedoch nur dann gewährt, wenn es sich hierbei auch zukünftig um den Mittelpunkt des familiären Lebens handelt. "Soweit" die Wohnfläche 200 m² übersteigt, greift die Vergünstigung nicht ein. Diese Einschränkung bedeutet nicht, dass die Vergünstigung für ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 300 m² von vornherein ausscheidet. Doch kann das erbende Kind, dass eine über 200 m2 reichende Wohnfläche in Anspruch nimmt, die Vergünstigung nur anteilig, d.h. hier zu zwei Dritteln des Grundstückswerts, ausnutzen. Maßgeblich ist jedoch, wie der BFH in der besprochenen Entscheidung ausdrücklich klargestellt, nur der Wohnraum, der tatsächlich von Todes wegen erworben worden ist; vorliegend also die hinzuerworbene Doppelhaushälfte.
Die Entscheidung des BFH macht deutlich, dass die Eigennutzung auch weiterhin i.d.R. in einer Karenzzeit von sechs Monaten herbeigeführt werden muss. Dieser Zeitraum soll ausreichen, um eine Entscheidung über die Selbstnutzung zu treffen und diese dann auch tatsächlich umzusetzen. Soweit es hierbei zu Verzögerungen kommt, ist es am Erwerber zu dokumentieren, dass er diese Verzögerungen nicht zu vertreten hat und er das notwendige veranlasst hat, um die Selbstnutzung zeitnah zu ermöglichen. Der Erwerber wird hierzu dokumentieren müssen, wann er welche Firmen angefragt hat, welche Reaktionen auf seine Anfragen erfolgt sind, weil er Aufträge erteilt, und was er unternommen hat, um eine kurzfristige Realisierung der Aufträge zu ermöglichen. Der Erwerber wird sich nicht auf allgemeine Aussagen wie "coronabedingte Verzögerungen" oder "krisenbedingte Lieferengpässe" berufen können, um die Steuerbefreiung weiterhin zu erhalten.
Kann die Immobilie erst nach einer Erbauseinandersetzung genutzt werden, stellt sich die Frage, wie sich derartige Verzögerungen auf Befreiungstatbestände auswirken. Bei einer verzögerten Erbauseinandersetzung ist die Rechtsprechung dann großzügiger gewesen, wenn der Einzug zeitnah stattgefunden hat.
Die Finanzverwaltung räumt dem Erwerber auch bei streitiger Erbauseinandersetzung nur eine regelmäßige Frist von sechs Monaten zur Aufnahme der Selbstnutzung ein. Nach dem hier besprochenen Urt. des BFH wird jedoch auch insoweit von einer Verlängerung der Frist ausgegangen werden können, wenn sich die Erbauseinandersetzung ohne Verschulden des Erwerbers, auch nicht durch eigenes Unterlassen zivilrechtlicher Schritte, aufgrund anderer Umstände über die Sechs-Monats-Frist hinaus verzögert.