Nach vorstehenden Maßstäben als unwirksam anzusehen sind alle nachträglichen Einwirkungsversuche auf bindend gewordene letztwillige Verfügungen durch Anordnungen von fixen Vermächtnissen oder Sockelvermächtnissen. Hier wird nämlich die vorgesehene Schlusserbeinsetzung dergestalt beeinträchtigt, dass dem Vermächtnisnehmer ein klagbarer Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses zukommt. Damit werden sowohl Rechte des bindend eingesetzten Schlusserben eingeschränkt als auch der wirtschaftliche Wert der Schlusserbschaft beeinträchtigt.
Anders kann sich dies aber bei Anordnung eines sog. Supervermächtnisses verhalten. Diese seit ca. zwanzig Jahren diskutierte Gestaltung ist im Jahre 2018 (wenn auch nur mittelbar) erstmals durch das OLG Hamm in ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit bestätigt worden. Es handelt sich hierbei um eine Kombination der vom Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten der Drittbestimmung durch Anordnung von Wahl- und Zweckvermächtnissen. Es ermöglicht (in der klassischen Ausgestaltung) dem oder den Erben, aufgrund einer in sein freies Ermessen gestellten Entscheidung, einem bestimmten Personenkreis Begünstigungen unter Anrechnung auf die Freibeträge des Erblassers zukommen zu lassen, wobei stets die Möglichkeit besteht, die Wahl auch so ausfallen zu lassen, das gar nichts gewährt wird. Gerade diese Möglichkeit, die Höhe der Zuwendung "auf Null" zu setzen, ist im vorliegenden Zusammenhang der entscheidende Punkt.
Wenn auch möglicherweise durch ein Supervermächtnis begünstigte Personen erfolgreich versuchen könnten, Druck auf den Erben auszuüben, liegt hierin lediglich eine emotionale Belastung. Denn der Vermächtnisnehmer hat keine rechtliche Möglichkeit, eine Leistung aufgrund des Vermächtnisses klageweise durchzusetzen, wenn das Wahlrecht ausschließlich durch den Erben ausgeübt werden kann und zwar auch in dem Sinne, dass gar nichts in Erfüllung des Vermächtnisses geleistet wird. Eine rechtliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigung liegt dann nicht vor, sondern im Gegenteil eine Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten des Schlusserben. Wie ausgeführt führt aber eine möglicherweise eintretende, bloß emotionale Beeinträchtigung nicht zur Unwirksamkeit der nachträglichen Verfügung.
Auch die mit dem Supervermächtnis häufig verbundene Anordnung der Vermächtnisverwaltungsvollstreckung für minderjährige oder noch junge Begünstigte beeinträchtigt nicht den bindend eingesetzten Schlusserben, sondern nur den Vermächtnisnehmer selbst in seiner Verfügungsbefugnis.
Anders als die nachträgliche Anordnung von starren Vermächtnissen oder Sockelvermächtnissen ist also die nachträgliche Anordnung von Supervermächtnissen trotz eingetretener Bindungswirkung nach hier vertretener Ansicht zulässig und wirksam.