Wie schon das Vorgängerrecht[23] unterscheidet auch die Reform 2023 konzeptionell zwischen Personen- und Vermögenssorge sowie zwischen gesetzlich[24] und vertraglich[25] begründeten Betreuungsverhältnissen.

[23] §§ 1896; 1901c BGB a.F.
[25] Vgl. § 1820 Abs. 3 Nr. 2 BGB ("Vereinbarung"); dazu auch BT-Drucks 19/24445, 245.

I. Missbrauchsschutz bei der Personensorge

In Bezug auf die Personensorge will der Gesetzgeber gewährleisten, dass die vertraglich betreute Person denselben Missbrauchsschutz genießt wie ihr gesetzlich betreutes Pendant. Deshalb macht er die Zulässigkeit etwa einer freiheitsentziehenden Unterbringung in beiden Fällen von denselben Voraussetzungen abhängig[26] und gibt hierzu den Inhalt einer Vorsorgevollmacht verbindlich vor.[27] Gleichheit vor dem (Schutz-)Gesetz ist insoweit gewährleistet.

[27] Vgl. § 1820 Abs. 2 Nr. 2.

II. Missbrauchsschutz bei der Vermögenssorge

Wie aber steht es um den Missbrauchsschutz bei der Vermögenssorge: Ist Gleichbehandlung auch hier sichergestellt?

1. Gesetzliches Betreuungsverhältnis

In einem gesetzlichen Betreuungsverhältnis soll der vulnerable Mensch nach dem Willen des Reformgesetzgebers "möglichst effektiv gegen Missbrauch der dem Betreuer übertragenen Handlungsbefugnisse geschützt (sein)".[28] Von diesem Ansatz her umfasst die Reform "Maßnahmen zum Schutz des Betreuten"[29] vor, bei und nach einer richterlichen Betreuungsanordnung. Konstitutiv sind u.a.

der Ausschluss bestimmter Betreuer, selbst gegen den Wunsch des Betroffenen,[30]
Einschränkungen der Vertretungsmacht[31] und Dotierungsverbote,[32]
Auskunftspflichten gegenüber nahen Angehörigen,[33]
gerichtliche Beratung und Kontrolle des Betreuers,[34]
wechselseitige Mitteilungspflichten zwischen Betreuungsbehörden und Betreuungsgerichten[35] "um möglichst durchgängig eine Überprüfung der Eignung der Betreuer zu gewährleisten".[36]

Zusammengenommen und haftungsbewehrt[37] entsprechen diese Maßnahmen den Vorgaben der UN-BRK und sind zugleich geeignet, die "rechtstaatlich gebotene Sicherung"[38] gegen den Missbrauch von Betreuungsmacht zu gewährleisten.

[28] BT-Drucks 19/24445, 148.
[29] BT-Drucks 19/24445, 148 f.
[30] § 1816 Abs. 2 BGB; § 9 Abs. 2 BtOG; vgl. auch BT-Drucks 19/24445, 237; 240.
[31] §§ 1824; 1821 Abs. 1 S. 2; 1825 BGB.
[33] § 1822 BGB; vgl. auch BT-Drucks 19/24445, 257.
[34] §§ 1861 ff.; 1848 ff. BGB; vgl. auch BT-Drucks 19/24445, 296; 266.
[36] BT-Drucks 19/24445, 158.
[38] BT-Drucks 19/24445, 141.

2. Vertragliches Vorsorgeverhältnis

Und wie liegen die Dinge bei einem vertraglichen Betreuungsverhältnis, das der Reformgesetzgeber "Vorsorgeverhältnis"[39] nennt? Gewährleistet die Reform auch hier die rechtstaatlich gebotene Sicherung?

[39] BT-Drucks 19/24445, 502.

III. Der dogmatische Ansatz des Reformgesetzgebers

Die Reform 2023 ordnet die Vorsorgevollmacht unter §§ 164 ff. BGB ein und behandelt die zugrunde liegende "Vereinbarung"[40] als "Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis"[41] nach §§ 662 ff; 675 BGB.

Bei diesem dogmatischen Ansatz nicht weiter thematisiert werden u.a.

die Grundstruktur des BGB, das den kognitiv uneingeschränkten Menschen voraussetzt, weshalb Vollmacht und Auftrag rechtswirksam nicht erteilen kann, wer von einem dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit betroffen ist,[42]

die eigene Einsicht des Reformgesetzgebers, wonach

die Vorsorgevollmacht "die Gefahr des Missbrauchs birgt, da die Kontrolle des Bevollmächtigten begrenzt ist",[43]
die "Abwendung von Gefahren im Falle eines feststellbaren Schutzbedarfs zwingend geboten ist."[44]

Ein wirklich gutes Gefühl kann bei alledem wohl nicht bestanden haben, verkennt doch die Reform 2023 durchaus nicht "den engen Zusammenhang dieses Themas mit allgemeinen zivilrechtlichen Fragen, aber auch mit potentiellen strafrechtlichen Maßnahmen."[45] Wohl deshalb fließt in die Gesetzesbegründung eine salvatorische Klausel ein. Hiernach sollen die Neuregelungen zur Vorsorgevollmacht eine "Ausgangslage bieten, dieses Rechtsinstrument in den nächsten Jahren fortzuentwickeln" – allerdings nur, "sofern sich in der Rechtspraxis hierfür ein Bedarf zeigt."[46] Von "einer detaillierteren Betrachtung" will sich der Reformgesetzgeber jedoch freigezeichnet wissen, u.a. mit Hinweis auf seinen – selbst gesetzten – "straffen Zeitplan".[47]

[41] BT-Drucks 19/24445, 245.
[42] §§ 104 Nr. 2; 105 BGB; vgl. auch BGH v. 12.11.2015 – V ZR 66/15.
[43] BT-Drucks 19/24445, 244.
[44] BT-Drucks 19/24445, 150.
[45] BT-Drucks 19/24445, 150.
[46] BT-Drucks 19/24445, 150.
[47] BT-Drucks 19/24445, 150.

1. Die Vorsorgevollmacht

Dabei trifft die Reform 2023 im "wirklichen Leben" auf Menschen, die

schon bei erstmaliger Erteilung einer Vorsorgevollmacht mental eingeschränkt sind, ohne dass ihr Zustand erkannt wird (Konstellation 1),[48]
im (fortdauernden) Zustand unerkannter Einschränkung eine Erstvollmacht widerrufen und eine Zweitvollmacht erteilen (Konstellation 2),
infolge schleichend eintretender Handlungs- und Geschäftsunfähigkeit ihre Rechte gegenüber dem Bevollmächtigten nicht ausüben können (Konstellation 3).

Ob der Reformgesetzgeber diese K...

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