Im Mittelpunkt der "wenigen normativen Grundregelungen" zum Missbrauchsschutz steht das neu gestaltete Institut der Kontrollbetreuung. Die Reform 2023 will hiermit dem Umstand Rechnung tragen, dass ein Bevollmächtigter grundsätzlich nicht der Aufsicht durch das Betreuungsgericht unterliegt, weshalb ein erhebliches Missbrauchsrisiko besteht. Um diesem Risiko zu begegnen, soll das Gericht einem Kontrollbetreuer insbesondere Befugnisse zur Geltendmachung von
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Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten, |
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Auskunfts- und Rechenschaftsansprüchen des Betreuten gegenüber Dritten |
übertragen können. Für nähere Erläuterungen zu diesen Aufgabenbereichen kann auf die allgemeine Literatur verwiesen werden. An dieser Stelle geht es darum, den Zusammenhang des Instruments mit dem dogmatischen Ansatz des Reformgesetzgebers aufzuzeigen.
Voraussetzungen
Die Kontrollbetreuung war bisher nur als Möglichkeit ausgestaltet. Mit der Reform 2023 sollen "die Voraussetzungen für die Bestellung eines Kontrollbetreuers gesetzlich normiert werden." Ausgangspunkt hierfür ist die oben als Konstellation 3 beschriebene Lage eines Vollmachtgebers, dessen mentale Einschränkung soweit fortgeschritten ist, dass er seinen Bevollmächtigten nicht mehr selbst überwachen und steuern kann.
Allein die Unfähigkeit des Betroffenen reicht für die Bestellung eines Kontrollbetreuers allerdings nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass der Bevollmächtigte die Vollmacht in "einer unzureichenden, fehlerhaften oder missbräuchlichen" Weise ausübt.
Dabei wirkt sich aus, dass die Reform 2023 einen Paradigmenwechsel vorgenommen hat: Nicht mehr objektive Kriterien, sondern "die Geltung einer konsequent subjektiven Sichtweise des Betreuten" sollen künftig auch für die Notwendigkeit einer Kontrollbetreuung der Maßstab sein. Anders als bisher wird die Geltung dieses Maßstabs nicht mehr durch das wohlverstandene Interesse des Betroffenen in’seiner objektiv beurteilten Lage, die sog. Wohlschranke, begrenzt.
Unter diesen Umständen ist das Gericht verpflichtet, aber auch darauf beschränkt, festzustellen, "welche Vorstellungen und Erwartungen (der Vollmachtgeber) an die Tätigkeit des Bevollmächtigten gerichtet hatte" und ob "die Tätigkeit des Bevollmächtigten von dem abweicht, was sich der Vollmachtgeber vorgestellt hat."
Aber: Ist es dem Betreuungsgericht überhaupt möglich, diese Anforderungen zu erfüllen? Kann sich der zum Vorsorgefall gewordene Vollmachtgeber an seine Vorstellungen und Erwartungen erinnern? Ist am Ende tatsächlich mehr oder anderes feststellbar als der "mutmaßliche Wille", wozu dann doch wieder (quasi-)objektive Kriterien gefunden werden müssen?
Und vor allem: Rechtfertigen die komplizierte Konstruktion, der damit verbundene Aufwand und der in vielen Fällen unzulängliche Ertrag tatsächlich den (Schein-)Verzicht darauf, das Wohl des hilfs- und schutzbedürftigen Menschen nach objektiven (scil. mitfühlenden) Kriterien festzustellen? Rechtfertigt all das den Verzicht auf die Wohlschranke?
Auch zu diesen Fragen bietet der Praxisbericht hinreichend Stoff zum Nachdenken und Anlass zum Erschrecken.
Rechtsdurchsetzung im Vorsorgeverhältnis
Wenn der Kontrollbetreuer Rechte aus dem sog. Vorsorgeverhältnis fiduziarisch geltend machen soll, muss der Betreute diese Rechte zuvor wirksam begründet haben, d.h. eine Vereinbarung i.S.d. § 1820 Abs. 3 Nr. 2 BGB wirksam geschlossen und die zugehörige Vollmacht wirksam erteilt haben.
Jedenfalls in den beschriebenen Konstellationen 1 und 2 fehlt es gerade hieran: Die Willenserklärungen des schon anfänglich geschäftsunfähigen Vollmachtgebers sind nichtig, ein Vorsorgeverhältnis und darauf beruhende Rechte nicht entstanden.
Damit läuft das Reformkonzept bei diesen – häufigen – Konstellationen so lange ins Leere, wie es bei der Einordnung der Vorsorgevollmacht unter die §§ 164 ff. BGB und dem Verzicht auf Wirksamkeitsvoraussetzungen bleibt.
Leer laufen auch die dogmatische Einordnung des Vollmachtwiderrufs in die Vertretungsmacht des Kontrollbetreuers sowie der hierzu entwickelte Grundrechtsschutz: Wo keine Vollmacht, da kein Widerruf und keine "gerichtliche Kontrolle".
Auskunfts- und Rechenschaftsansprüchen gegenüber Dritten
Da der Reformgesetzgeber das Vorsorgeverhältnis als "Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis" betrachtet, sieht er in der Inanspruchnahme des Bevollmächtigten nach § 666 BGB eine "Kernaufgabe des Kontrollbetreuers". So konsequent diese Auffassung sein mag – übersehen wird dabei, dass sich auch hier eine anfängliche Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers anspruchsvernichtend auswirkt.
Dasselbe gilt für das Außenverhältnis des Vollmachtgebers zu "Banken, Grundbuchämtern und sonstigen Dritten", die der Reformgesetzgeber dem Kontrollbetreuer gegenüber auskunftspflichtig machen will. Wenn und soweit das Außenverhältnis ebenfalls an Wirksamkeitsmängeln leidet, bestehen auch keine ...