1. Entstehungsgeschichte der erbrechtlich relevanten Normen im neuen Bürgergeldgesetz
Das Zwölfte Gesetz zur Änderung des 2. Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeldgesetz) – wurde geschaffen,
Erbrechtlich bedeutsame Regelungen erwartet man bei einer solchen Zielbeschreibung von einem nachrangig ausgestalteten Sozialleistungsgesetz nicht; allenfalls Regelungen, die wegen ihrer allgemeinen Bedeutung auch auf erbrechtliche Sachverhalte ausstrahlen und Wirkung entfalten können. Und genau so war der Gesetzesentwurf eines Bürgergeldgesetzes anfänglich auch ausgelegt.
Im SGB II – bisher landläufig "Hartz-IV" – wie in vielen anderen nachrangig ausgestalteten Sozialleistungsgesetzen werden Zuflüsse aus Erbfall oder auch aus vorweggenommener Erbfolge im anspruchsbegründenden Tatbestand als Einkommen und/oder Vermögen berücksichtigt. Um solche Sachverhalte drehen sich häufig auch Fragen des sozialrechtlichen Leistungsstörungsrechts, das verallgemeinernd als "Sozialhilfe"-Regress bezeichnet wird. Der Zufluss von Geld im Bedarfszeitraum ist Einkommen i.S.v. § 11 SGB II und immer ohne große Verschonungsmöglichkeiten bei der Anspruchsfeststellung zu berücksichtigen. Einnahmen in Geldeswert sind seit dem 1.8.2016 – anders als im SGB XII – dagegen Vermögen i.S.v. § 12 SGB II. Beim Vermögen gibt es Vermögensschontatbestände (§ 12 SGB II).
Nach der alten Rechtslage waren einmalige Einnahmen im SGB II in dem Monat, in dem sie zuflossen, zu berücksichtigen. Sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden waren, wurden sie im Folgemonat berücksichtigt. Entfiel der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, war die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. Nach Ablauf des sog. Verteilzeitraums mutierte der verbliebene Restbetrag zu Vermögen. Man spricht vom Aggregatzustand, der sich ändert. Mit der Änderung des Aggregatzustands geht die Möglichkeit einher, übriggebliebenes Einkommen als Vermögen ganz oder teilweise aus der Anrechnung bzw. Verwertung herauszuhalten.
An dieser Ausgestaltung des Gesetzes setzte der Ursprungsentwurf des Bürgergeldes an. Einmalige Einnahmen, wie z.B. der Zufluss ererbten Geldes, sollten nicht länger über einen Verteilzeitraum von sechs Monaten berücksichtigt werden und sodann erst ihre Rechtsqualität vom Einkommen zum Vermögen ändern. Vielmehr sollten mit der Einführung des Bürgergeldes einmalige Einnahmen nur noch im Monat ihres Zuflusses als Einkommen berücksichtigt werden. Sie sollten im Folgemonat dem Vermögen zugeschlagen werden. Hierzu der Gesetzgeber:
Die bisherige
Mit diesem Regelungsvorschlag stellte der Gesetzesentwurf des Bürgergeldgesetzes einen unmittelbaren Bezug zu einmaligen Zuflüssen aus Erbfall, wie z.B. Erbschaften, her.
Flankiert werden sollte das Ganze durch erheblich im Wert angehobene Vermögensschontatbestände. Dazu sollte für eine Karenzzeit von zwei Jahren seit dem erstmaligen Leistungsbezug ein Vermögensschonbetrag von 60.000 EUR für den Leistungsbezieher und 30.000 EUR für jedes weitere Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geschaffen werden. Nach Ablauf der Karenzzeit sollte noch ein Vermögensschontatbestand i.H.v. 15.000 EUR für jede Person der Bedarfsgemeinschaft gelten.
Der Ursprungsentwurf eines Bürgergeldgesetzes sah für das SGB XII (Sozialhilfe) eine solche Veränderung von einmaligem Einkommen und die Aufgabe eines Verteilzeitraums von sechs Monaten (§ 82 Abs. 7 SGB XII) nicht vor. Lediglich ein angemessenes Kfz sollte als zusätzliches Schonvermögen im SGB XII eingeführt werden. Zudem sollte die Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des SGB XII dahingehend geändert werden, dass im SGB XII der Vermögensschonbetrag von 5.000 EUR auf 10.000 EUR angepasst werden sollte.
In der BT-Drucks 20/4226 wurde wegen dieser Ungleichbehandlung einmaliger Zuflüsse im SGB II und SGB XII zunächst noch eine Gleichbehandlung von einmaligen Einkünften auch für das SGB XII gefordert. Aber dann kam alles ganz anders.
Der neue Gesetzentwurf geriet zunehmend mehr in die Kritik, insbesondere wegen der hohen neuen Vermögensschonbeträge und der Verschonung großer selbstbewohnter Immobilien. So hieß es beispielhaft in einer Stellungnahme des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zum Entwurf eines Bürgergeldgesetzes:
Und dann tauchten plötzlich – ohne Ankündigung und ohne Erklärung für das Warum dieser Regelung – in der BT-Drucks vom 9.11.2022 Erbschaften gleich mehrfach auf, und zwar nicht mehr bei der Behandlung einmaliger Zuflüsse im Rahmen der Einkommensberücksichtigung, sondern nun als Ausnahmetatbestand bei der Nichtberücksichtigung von Einkünften:
Zur Begründung für die Sonderbehandlung von Erbschaften führt der Gesetzgeber beispielhaft für das SGB II an: