Leitsatz
Dass in einem Vertrag als Gegenleistung für die Übertragung eines Hausgrundstücks vereinbarte Versorgungsleistungen nur so lange geschuldet sein sollen, wie sie von dem Verpflichteten in dem übernommenen Haus erbracht werden können, führt nicht ohne Weiteres zur Sittenwidrigkeit der vereinbarten Regelung.
BGH, Urteil vom 6. Februar 2009 – V ZR 130/08
Sachverhalt
M. E. war Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Durch Notarvertrag vom 22. Dezember 1993 verpflichtete er sich, das Grundstück dem Beklagten, seinem Sohn, zu übertragen. Dieser hatte als "Gegenleistung" seinem Vater das Recht zur alleinigen Nutzung eines näher bezeichneten Zimmers und das Recht zur Mitbenutzung der zur gemeinschaftlichen Benutzung durch die Bewohner des Hauses bestimmten Anlagen und Einrichtungen als Wohnrecht zu bestellen, Zimmer, Anlagen und Einrichtungen in "gut bewohnbarem Zustand" zu erhalten, den Vater zu beköstigen und im Falle der Gebrechlichkeit oder Krankheit zu pflegen.
Die Ausübung des Wohnrechts durch Dritte sollte nicht gestattet sein; die Verpflichtung zur Gewährung von Kost und Pflege sollte nur bestehen, "solange der Berechtigte in dem Vertragsanwesen wohne und die Pflege ohne Inanspruchnahme einer bezahlten Pflegeperson möglich" sei. Für den Fall, dass der Vater in ein Pflege- oder Altersheim aufgenommen werde, sollte die Verpflichtung zur Verköstigung und Pflege "ruhen, … ohne dass der Erwerber dafür einen Ausgleich bzw. Ersatz zu leisten" habe. Gegenüber seinen Schwestern übernahm der Beklagte im Vertrag Ausgleichspflichten; diese verzichteten auf Ansprüche aus dem Pflichtteilsrecht im Hinblick auf die Übertragung des Grundstücks.
2005 wurde der Vater des Beklagten als pflegebedürftig in ein Heim aufgenommen. Seine Rente und die Leistungen der Pflegeversicherung reichten nicht aus, die Heimkosten zu decken. In Höhe der Differenz von durchschnittlich 240 EUR im Monat gewährte ihm der Kläger Sozialhilfe. Mit Anzeige vom 26. Oktober 2005 leitete der Kläger "die Ansprüche aus dem Vertrag vom 22. Dezember 1993" auf sich über. Aus dem übergeleiteten Recht verlangt er mit der Klage für den Zeitraum seit dem 1. Juli 2005 Zahlung von monatlich 158 EUR zuzüglich Zinsen.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat den Betrag der Zahlungsverpflichtung des Beklagten auf 128 EUR pro Monat herabgesetzt und die weitergehende Klage abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.
Aus den Gründen
I. Das Berufungsgericht meint, bei dem Vertrag vom 23. Dezember 1993 handele es sich nicht um einen Altenteilsvertrag gemäß Art. 7 ff BayAGBGB, sondern um einen Vertrag eigener Art, durch den sich der Beklagte als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks verpflichtet habe, seinen Vater zu versorgen. Die Vereinbarung des Ruhens dieser Pflicht für den Fall von dessen Aufnahme in ein Alters- oder Pflegeheim habe zum Ziel, das von diesem gebildete Vermögen in der Familie zu behalten, statt es zur Deckung des mit der Heimaufnahme verbundenen erhöhten Bedarfs zu verwenden und diesen Aufwand der Allgemeinheit aufzuerlegen. Insoweit sei der Übertragungsvertrag sittenwidrig und nichtig.
Das berühre die Wirksamkeit des Vertrags im Übrigen nicht. Die aus der Nichtigkeit der Klausel folgende Lücke der vertraglichen Regelung sei im Wege der ergänzenden Auslegung dahin zu schließen, dass der Beklagte seinem Vater den Betrag zu erstatten habe, den er aufgrund des Entfallens der Verpflichtung, diesen zu verköstigen und pflegen und das Haus in Stand zu halten, erspare. Dieser Betrag sei nach dem Umfang der vereinbarten Pflegeverpflichtung mit dem hälftigen Betrag des gesetzlichen Pflegegelds der Stufe I, insoweit 103 EUR, zuzüglich 25 EUR ersparter Instandhaltungskosten, insgesamt mithin auf monatlich 128 EUR zu bemessen.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Aus dem Vertrag zwischen dem Beklagten und seinem Vater vom 22. Dezember 1993 ergeben sich keine Zahlungsansprüche, die auf den Kläger hätten übergeleitet werden können. Soweit das Berufungsgericht solche Ansprüche im Wege ergänzender Vertragsauslegung hergeleitet hat, ist dem schon deswegen nicht zu folgen, weil der Vertrag keine ausfüllungsbedürftige Lücke aufweist. Die Vertragsparteien haben für den Fall, dass der Berechtigte in ein Pflege- oder Altersheim aufgenommen würde, Zahlungsansprüche als Ersatz für die nicht mehr zu erbringenden Naturalleistungen ausdrücklich ausgeschlossen. Dieser Ausschluss ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wirksam.
1. Das folgt allerdings entgegen der Meinung der Revision nicht schon aus dem Senatsbeschluss vom 23. Januar 2003 (V ZB 48/02, NJW-RR 2003, 577). In dieser Entscheidung hat der Senat eine Aussage in dem Urteil vom 21. September 2001 (V ZR 14/01, WM 2002, 598, 599) richtiggestellt. Dort hatte er angenommen, dass eine Regelung, wonach Versorgungspflichten in Übernahmeverträgen für den Fall der Aufnahme des Übertragenden in ein Heim entfallen...