Ondracek verlieh seiner Sorge Ausdruck, eine weitere Zusammenfassung der Steuernormen würde zu noch mehr Intransparenz führen. Das Kindergeld sei ein Fremdkörper. Nolde habe dargelegt, dass es aus rationellen Gründen zweckmäßigerweise zusammengefasst wurde. Der Sonderfaktor seien aber berufsbedingte Kinderbetreuungskosten. Diese seien ein zusätzlicher Aufwand, der Betreuungsbedarf werde pauschal abgegolten. Den Betreuungsbedarf hätten aber auch jene, die beide beruflich tätig seien und ihre Kinder zusätzlich zu dem normalem Betreuungsbedarf in fremde Hände geben und dafür zahlen müssten. Dies seien eindeutig Werbungskosten.
Nolde entgegnete, berufsbedingte Kinderbetreuungskosten seien gemischte Aufwendungen. Man könne auch sagen, die Kinderbetreuungskosten fielen an, weil das Kind existiere, und nicht, weil der Beruf ausgeübt werde. Die Aufwendungen seien also sowohl durch das Kind selbst bedingt als auch berufsbedingt. Der BFH habe gemischte Aufwendungen früher nicht zum Abzug zugelassen, inzwischen lasse er dies zunehmend zu.
Jachmann erwiederte, bereits Art. 6 Abs. 1 GG besage, dass die Vermeidbarkeit ihrer Kinder den Eltern nicht entgegengehalten werden dürfe. Es dürfe also auch nicht so sein, als wären die Kinder ein privates Hobby, das beruflich nicht zu berücksichtigen sei. Kinderbetreuungskosten seien wegen Art. 6 Abs. 1 GG noch eher abziehbar als die Fahrtkosten.
Seiler zufolge ist die Frage, ob man Kinderbetreuungskosten als steuerliche Werbungskosten ansehen müsse oder nicht, verfassungsrechtlich nicht zwingend vorgegeben. Überlegenswert sei es, gerade in diesem Bereich stärker das Sozialrecht als Instrument zu nutzen und für alle Familien die Kinderbetreuung sozialrechtlich und nicht steuerrechtlich abzufedern.
Rühmann fragte, warum bei einer teilweisen Abdeckung der erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten durch den allgemeinen Betreuungsfreibetrag dieser auch denen zugute komme, die ihre Kinder nicht fremdbetreuen ließen, denen also gar keine externen Kosten entstünden. Dies sei dann doch eigentlich eine versteckte Subvention für die, die ihr Kind nicht extern betreuen ließen, und dann eigentlich kaum noch zu rechtfertigen.
In seiner Antwort stellte Nolde in den Vordergrund, dass der Betreuungsbedarf eines Kindes, unabhängig davon, wie er gedeckt werde, zum Existenzminimum des Kindes zähle und steuerfrei gestellt werden müsse. Dies gelte auch für den Betreuungsbedarf eines Kindes, dessen Elternteile zu Hause blieben. Der Betreuungsbedarf sei völlig unabhängig von konkreten Aufwendungen zu berücksichtigen.
Loos, machte Bedenken dagegen geltend, gerade beim Kindergeld die soziale Komponente aus dem EStG zu eliminieren. Bei 33,5 Milliarden EUR Kindergeldwirkung seien lediglich 15 Milliarden EUR Förderanteile, der restliche Anteil des Kindergeldes sei Freistellung des Existenzminimums.
An Seiler richtete Loos die Frage nach der systematischen Grenze eines flacheren Tarifs. In Frankreich zum Beispiel sei das Familiensplitting gedeckelt. So betrage der Faktor für das erste und zweite Kind jeweils nur 0,5 im Zusammenspiel mit der Deckelung der Gesamtwirkung. Im Ergebnis unterscheide sich das französische Familiensplitting kaum von unserem Ehegattensplitting. Ein flacher Tarif nur als Argumentationshilfe für ein Familiensplitting könne insofern nicht die Konsequenz sein.
Nach Jachmann existiert die Idealvorstellung, dass das Steuerrecht nicht für Lenkungen gesellschaftspolitischer Art verwendet werde. Die Unzufriedenheit mit der Familienbesteuerung rühre ihrer Meinung nach daher, dass der einzelne Betroffene, der einen Steuerabzug habe oder Kindergeld erhalte, in der Regel nicht wisse, welcher Teil ihm steuerlich zustehe, weil er Kinder habe und welcher Teil Sozialleistung ist.
Seiler stellte klar, dass er seine Erwägung, auch die Familie als Verband zu betrachten, verknüpft habe mit der notwendigen Bedingung einer Änderung der Tarifstruktur. Die Idee, dass die Familie einen Verband bilde, der im Recht einheitlich betrachtet werden solle, sofern es denn auf diese Situation ankomme, sei außerhalb des Steuerrechts ein allgemeiner Maßstab, der aber bereichsspezifisch ausdifferenziert werden müsse. Wenn das Sozialrecht vorgebe, Menschen lebten von einem Einkommen als Einheit, dann sei dies zumindest eine vertretbare Wertung und es sei deswegen nicht ganz ausgeschlossen, dass das Steuerrecht die Lebenswirklichkeit ebenso betrachte.