Nutzt ein Miterbe unter Ausschluss der anderen Miterben eine Nachlassimmobilie ohne Leistung einer Entschädigungszahlung, so ist er gegenüber den anderen Miterben privilegiert. Kann die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft schnell erfolgen, so werden die Miterben diesen Umstand potenziell akzeptieren. Zieht sich die Nachlassauseinandersetzung länger hin oder handelt es sich bei der Nachlassimmobilie um den wesentlichen Nachlassbestandteil, so haben die Miterben ein Interesse daran, aus dieser Nachlassimmobilie Nutzungen zu ziehen.
Wer eine Zahlung in den Nachlass leistet, ist für den Miterben im Zweifel nicht relevant. Es kommt ihm entscheidend darauf an, das Potenzial der Nachlassimmobilie zu nutzen. Dies kann entweder dadurch erreicht werden, dass die Nachlassimmobilie an einen Dritten vermietet wird und Mietzahlungen generiert werden oder dass der nutzende Miterbe eine Nutzungsentschädigung bezahlt.
Nicht nachvollziehbar ist ohne weitere Begründung, dass die Aufforderung der anderen Miterben zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung kein Nutzungsänderungsverlangen im Sinne des § 745 Abs. 2 BGB darstellen soll. Das OLG Stuttgart weist in seiner Entscheidung vom 18.10.2018 zutreffend darauf hin, dass der zur Zahlung auffordernde Miterbe sehr wohl deutlich macht, eine andere Art der Nutzung der Nachlassimmobilie zu wünschen: Er möchte die Nachlassimmobilie dem Miterben nicht mehr kostenlos zur Nutzung zur Verfügung stellen, sondern fortan für die Nutzung eine Zahlung in den Nachlass generieren. Ein wesentlicher Unterschied zur Vermietung der Immobilie besteht insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht nicht.
Jedem eine Immobilie nutzenden Miterben, der eine Aufforderung zur Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung der anderen Miterben erhält, wird zudem offenbar, dass diese nicht gewillt sind, die bisherige kostenlose Nutzung der Nachlassimmobilie weiter zu dulden. Dass dies in Konsequenz heisst: "bezahlen oder ausziehen" dürfte ebenfalls offensichtlich sein.
Geht man nunmehr weiter davon aus, dass das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Nutzungsänderungsverlangens aus der Perspektive eines verständigen Dritten beurteilt werden soll und dieser bei der Möglichkeit der Erlangung des wirtschaftlich identischen Ziels den einfacheren Weg wählen wird, so wird dieser naturgemäß den die Immobilie nutzenden Miterben zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung auffordern. Die begehrte Zahlung kann von diesem wesentlich schneller ohne weiteren Verwaltungsaufwand erzielt werden als von einem Dritten.
Eine Vermietung an einen Dritten würde zudem erhebliche aufwendige Zwischenschritte erfordern, um das Ziel einer wirtschaftlichen Gleichstellung zu erreichen. So müsste der nutzende Miterbe zunächst eine neue Wohnung finden und ausziehen. Im Zweifel müssten vor einer Vermietung Renovierungs- und/oder Sanierungsarbeiten vorgenommen werden, um eine Vermietung zu ermöglichen, bis anschließend mit der Suche eines Mieters begonnen werden kann, die entweder zeitlichen oder finanziellen Aufwand der Miterben, Letzteres durch Engagieren eines Maklers, erfordert.
Diese Überlegungen werden durch die Erfahrungen aus der anwaltlichen Praxis gestützt: der Mandant begehrt vom Anwalt nicht die Auskunft, ob er den die Immobilie kostenlos nutzenden Miterben zum Auszug bewegen kann, sondern er fragt, ob er für die Nutzung eine Entschädigung verlangen kann. Unter Umständen ist der nutzende Miterbe auch bereits zur Zahlung einer Entschädigung aufgefordert worden. Aus Sicht eines juristisch nicht versierten Miterben würde die Aufforderung zum Auszug zudem eine Eskalation der Situation bedeuten, die eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verzögern und das Ziel einer Kompensation der Nutzung verzögern würde.
Auch aus Sicht des die Immobilie kostenlos nutzenden Miterben würde die primäre Aufforderung zum Auszug einen stärkeren Einschnitt bedeuten als die Zahlung einer Nutzungsentschädigung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem die Immobilie nutzenden Miterben unter Umständen um einen der nächsten Angehörigen des Erblassers handelt, beispielsweise den überlebenden Ehegatten oder einen Abkömmling des Erblassers.
Soweit in der Rechtsprechung daher teilweise verlangt wird, den die Immobilie nutzenden Miterben vor die Wahl "Auszug oder Zahlung" zu stellen, so werden hierbei die Interessen der Miterben schlicht verkannt. Wie dargelegt, sprechen die Interessen der Miterben tatsächlich anders herum wenn überhaupt dafür, den Miterben vor die Wahl "Zahlung oder im Notfall Auszug" zu stellen.
Im Hinblick auf die divergierende Rechtsprechung ist dem Mandanten in der anwaltlichen Praxis dennoch zu raten, dem die Nachlassimmobilie kostenlos nutzenden Miterben deutlich die Möglichkeiten des weiteren Ablaufs vor Augen zu führen: Entweder er zahlt die Nutzungsentschädigung oder er zieht aus der Immobilie aus und diese wird vermietet. Bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung handelt es sich hierbei um den sichersten Weg, das Ziel der Nutz...