1
Fällt in den Nachlass eine Immobilie, die von einem der Miterben allein und unentgeltlich genutzt wird, stellt sich für die anderen Miterben einer Erbengemeinschaft zumeist die Frage, ob dieser Umstand akzeptiert werden muss. Durch die unentgeltliche Nutzung der Immobilie durch nur einen der Miterben entgehen dem Nachlass die im Rahmen einer Vermietung zu erwartenden Mieteinnahmen. In diesen Fällen stellt sich den Miterben die Frage, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen eine Nutzungsentschädigung von dem die Immobilie nutzenden Miterben verlangt werden kann.
I. Allgemeines
Bestimmt der Erblasser innerhalb einer letztwilligen Verfügung mehrere Personen zu seinen Erben oder wird er aufgrund gesetzlicher Erbfolge von mehreren Personen gemeinschaftlich beerbt, so bilden diese eine Erbengemeinschaft. Aufgrund des Prinzips der Gesamtrechtsnachfolge, § 1922 BGB, geht der Nachlass als Ganzes auf die Erbengemeinschaft, bestehend aus den einzelnen Miterben über. Die Erbengemeinschaft ist eine Gesamthandsgemeinschaft, die keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, da sie vom Grundgedanken des Gesetzes von vorneherein auf Auseinandersetzung angelegt ist.
Daraus, dass die Erbengemeinschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, folgt zwingend, dass jedem Miterben ein selbständiges Recht zum Besitz an allen in den Nachlass fallenden Gegenständen zusteht, §§ 2038 Abs. 2, 743 Abs. 2 BGB. Fällt in den Nachlass beispielsweise Immobiliarvermögen in Form einer Eigentumswohnung oder eines Einfamilienhauses, hat grundsätzlich jeder der Miterben einen Anspruch auf Mitbenutzung des Nachlassgegenstandes. Eine Mitbenutzung des Immobiliarvermögens durch alle Miterben ist oftmals bereits aufgrund der Beschaffenheit der Immobilie gar nicht möglich; alternativ kann daher jeder Miterbe nach billigem Ermessen die Neuregelung der Verwaltung und Benutzung der Nachlassimmobilie gem. §§ 2038 Abs. 2, 745 Abs. 2 BGB verlangen, sofern nicht bereits eine Einigung oder ein Mehrheitsbeschluss zur Verwaltung und Benutzung des Objektes besteht und die Nutzungsänderung im Interesse aller Miterben steht.
Dem Neuregelungsverlangen ist durch § 745 Abs. 3 BGB dort eine Grenze gesetzt, wo der Miterbe eine vollständige Änderung der Gestaltung oder Zweckbestimmung der Nachlassimmobilie verlangt und dadurch das Wesen des Nachlasses verändert wird, sodass die wirtschaftlichen Grundlagen und die Gestaltung der Gemeinschaft verändert werden. Für die Beurteilung, ob es sich um eine wesentliche Veränderung handelt, ist nicht auf den einzelnen betroffenen Nachlassgegenstand, sondern auf den gesamten Nachlass abzustellen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Regelungen der §§ 2038, 743 ff BGB darauf abzielen, Wertverluste des Nachlasses im Zeitraum bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu verhindern.
Das Verlangen einer Nutzungsentschädigung von einem Miterben für die alleinige Nutzung einer Nachlassimmobilie oder eines Nachlassgegenstandes ist regelmäßig nicht mit einer vollständigen Änderung der wirtschaftlichen Grundlagen und der Gestaltung der Gemeinschaft verbunden. Regelmäßig führt das Verlangen einer Nutzungsentschädigung zu einer Mehrung des zu verteilenden Nachlassvermögens, sodass eine wirtschaftliche Besserstellung erfolgt.
II. Ordnungsgemäße Nutzungsänderung
Die begehrte Nutzungsänderung muss ordnungsgemäß sein, d. h. dem billigen Interesse der Miterben entsprechen und auch die berechtigten Interessen der gegen eine Nutzungsänderung stimmenden Miterben nicht übergehen. Ob das der Fall ist, ist nach den jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalls im Zeitpunkt der Beschlussfassung zu entscheiden. Maßgeblich ist hierbei, ob eine verständige Person in der Situation des die Nutzungsänderung verlangenden Miterben ebenso handeln würde. Stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, mit denen das gleiche Ziel erreicht werden kann, ist davon auszugehen, dass eine verständige Person den einfacheren und leichteren Weg wählen würde.
Es ist dementsprechend zu prüfen, ob ein die Nachlassimmobilie nicht nutzender objektiver Dritter gegenüber dem nutzenden Miterben eine Nutzungsänderung begehren würde. Zahlt der die Immobilie nutzende Miterbe an die Erbengemeinschaft keine Nutzungsentschädigung, trägt die Erbengemeinschaft aber sämtliche die Immobilie betreffenden Kosten wie Grundsteuer, Versicherung und Nebenkosten, so ist davon auszugehen, dass ein nicht nutzender Dritter entweder die Vermietung der Immobilie an einen Dritten – verbunden mit dem Auszug des nutzenden Miterben aus der Immobilie – oder die Zahlung einer Nutzungsentschädigung durch den nutzenden Miterben geltend machen ...