Der BGH befasste sich mit der Rechtslage unter dem Blickwinkel des § 138 BGB, aber doch ausführlich:
Zitat
"Ob und in welchem Umfang der Testamentsvollstrecker die Erträge an den Vorerben auszahlen muss, bestimmt sich vorrangig nach den Verwaltungsanordnungen, die der Erblasser in der letztwilligen Verfügung festgelegt hat. Finden sich dort – wie im vorliegenden Fall – keine entsprechenden Regelungen, bestimmt sich dies nach § 2216 Abs. 1 BGB (Staudinger/Reimann BGB (2016) § 2209 Rn 24). Der Testamentsvollstrecker ist demnach – außerhalb des Anwendungsbereiches von § 2338 Absatz 1 Satz 2 BGB – grundsätzlich befugt, Erträge zu thesaurieren. Nutzungen sind jedoch an den Erben herauszugeben, soweit dies zur Bestreitung des angemessenen Unterhalts des Erben sowie zur Begleichung fälliger Steuerschulden erforderlich ist. (OLG Frankfurt FamRZ 2016, 1496, 1497; Staudinger/Reimann BGB (2016) § 2216 Rn 17, Palandt/Weidlich BGB 78. Aufl. § 2209 Rn 4; MüKoBGB/Zimmermann 7. Aufl. § 2209 Rn 12; BeckOGK BGB/Stuttmann (Stand 1.5.2018) § 2209 Rn 37.1). Da der Erblasser im vorliegenden Fall keine anderweitigen Verwaltungsanordnungen getroffen hat, insbesondere keine ausschließliche Thesaurierung der durch die Erbschaftsgegenstände erzielten Erträge angeordnet hat, kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der Betroffene im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 2216 Abs. 1 BGB) vom Testamentsvollstrecker die Auszahlung von erzielten Erträgen zur Bestreitung des Unterhalts verlangen kann und ihm deshalb bis zum Eintritt des Nacherbfalls Vorteile aus der Erbschaft zufließen. Eine Sittenwidrigkeit des Testaments i.S.v. § 138 BGB liegt somit nicht vor".
Hat der BGH dem Testamentsvollstrecker das Ermessen und die Entscheidungshoheit genommen, über die zweckgebundene Erlösauskehr an den Erben zu entscheiden? Mit der Formulierung: "Nutzungen sind jedoch an den Erben herauszugeben, soweit dies zur Bestreitung des angemessenen Unterhalts des Erben sowie zur Begleichung fälliger Steuerschulden erforderlich ist" scheint dies womöglich der Fall zu sein. Am Ende führt der BGH aus: "dass der Betroffene im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 2216 Abs. 1 BGB) vom Testamentsvollstrecker die Auszahlung von erzielten Erträgen zur Bestreitung des Unterhalts verlangen kann …".
Dem BGH geht es im Streitfall darum, die Hürde der Sittenwidrigkeit nicht zu reißen und begründet es mit der hier unstreitig einschlägigen Fallgruppe Bedürftigkeit/Unterhalt des (Vor-)Erben (es geht um ein klassisches Behindertentestament, nur ohne Anordnungen nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB), sodass "nicht von vornherein ausgeschlossen werden (kann), dass der Betroffene im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 2216 Abs. 1 BGB) vom Testamentsvollstrecker die Auszahlung von erzielten Erträgen zur Bestreitung des Unterhalts verlangen kann und ihm deshalb bis zum Eintritt des Nacherbfalls Vorteile aus der Erbschaft zufließen." Die konkrete Rechtsgrundlage für die Erlösherausgabe benennt der BGH damit allerdings nicht und Zimmer vermutet in seiner Urteilsanmerkung mit Hilfe einer Stimme im Schrifttum, dass sich der Anspruch aus § 2216 Abs. 1 BGB selbst ergeben dürfte.
Die Begründung des BGH ist in seiner Formulierung für unsere Kernfrage nicht eindeutig. Wir müssen uns daher mit dem Wortsinn der hier besprochenen Entscheidungen beschäftigen, sie mit der grundlegenden Rechtsprechung sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes in Einklang bringen. Denn der BGH bezieht sich ausdrücklich auf seine Urteile vom 14.5.1986 und 4.11.1987. Wie gesagt: "Im Zweifel muss davon ausgegangen werden, dass das Gericht, auch wenn die Begründung mangelhaft ist, folgerichtig gedacht, einen lückenlosen Gedankenzusammenhang angestrebt hat."