Die praktische Bedeutung liegt auf der Hand: Sollte es einen derartigen "Anspruch" ohne Entscheidungsspielraum des Testamentsvollstreckers oder eine Einschränkung seines Ermessens geben, muss dies der Dauervollstrecker bei seiner Planung für den gesamten Nachlass im Auge haben – und zwar, wenn es irgend geht, von vornherein und nicht erst, wenn der Anspruch konkret auf ihn zukommt – denn verlangt wird ein vorausschauendes Verhalten und Planen, um Nachteile und Risiken für den Nachlass soweit als nur irgend möglich zu vermeiden.
Diese Pflicht hat der Dauervollstrecker sofort mit Amtsantritt, also auch schon während der Zeit und Tätigkeiten der Abwicklungsvollstreckung. Die Dauervollstreckung besteht aus der Kombination von Abwicklungs- und Verwaltungsvollstreckung, daher werden beide Arten der Testamentsvollstreckung oft zeitlich hintereinander in der Sache verständlich, aber rechtlich doch vereinfacht betrachtet. Denn die Arbeit für die Dauervollstreckung beginnt nicht erst dann, wenn die Abwicklungsvollstreckung beendet ist: Mit der Annahme nach § 2202 Abs. 1 BGB beginnen in aller Regel für beide Arten der Testamentsvollstreckung umfassend und sofort Pflichten und Arbeit des Testamentsvollstreckers. Eine Ausnahme ist rechtlich und rechtssicher nur dann möglich, wenn sich aus der letztwilligen Verfügung ergibt, dass der Erblasser eine Nebentestamentsvollstreckung angeordnet hat und die Aufgaben der Abwicklungs- und Dauervollstreckung auch personell getrennt haben wollte. Im Regelfall aber kann und darf Dauertestamentsvollstrecker z.B. mit Anlage- und Sanierungsentscheidungen nicht warten, bis die Nachlasskonstituierung beendet ist. Befugnisse und Pflichten der i.d.R. sofort einsetzenden Dauervollstreckung sind im Grundsatz dieselben wie bei der Abwicklungsvollstreckung. Der sofort als Abwicklungs- und Verwaltungsvollstrecker eingesetzte Dauervollstrecker muss sich daher schon zu Beginn der Nachlasskonstituierung und damit schon am Beginn der Abwicklungsvollstreckung aufgrund seiner umfassenden treuhänderischen Vermögenspflichten überlegen, wie er den Nachlass rechtlich und wirtschaftlich optimal steuert – und dabei kaufmännisch vorsichtig einkalkulieren, ob er dem Erben Beträge aus den Nutzungen für Unterhalt oder Steuern evtl. auszahlen muss. Der Testamentsvollstrecker ist auf eine gerichtsfeste und regresssichere Rechtslage angewiesen.
Zur Beantwortung der Kernfrage hilft ein Fallbeispiel. Der Dauervollstrecker muss zwei Immobilien verwalten, die beide umgehend saniert werden müssen. Es gibt zwei Miterben zu je ½. Nun fordert einer der Erben Unterhalt aus den Mieteinnahmen, seine Bedürftigkeit ist unstreitig. Aber für die ebenfalls unstreitig notwendige Sanierung hat der Testamentsvollstrecker keine andere Finanzquelle als die Mieteinnahmen. Das Testament enthält keine Vorgaben nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB zu den Immobilien. Zwei Situationen sind denkbar: Der Testamentsvollstrecker kann auf eine wirtschaftliche Lösung für die Sanierung zurückgreifen, die zwar für den Nachlass weniger günstig, aber wirtschaftlich machbar ist, was auch gegenüber dem zweiten Miterben vertreten und begründet werden muss. Oder dies ist nicht der Fall und der Testamentsvollstrecker muss sich nach § 2216 Abs. 1 BGB entscheiden zwischen der Sanierung im Interesse des Nachlasses (und des zweiten, nicht bedürftigen Miterben) und der Auszahlung der Mieterträge an den bedürftigen Erben.
Kann der Testamentsvollstrecker bei diesem Ansinnen des bedürftigen Erben auf zweckgebundene Erlösherausgabe unter Berufung auf § 2216 Abs. 1 BGB eine autonome Ermessensentscheidung treffen oder nicht? Kann der Testamentsvollstrecker rechts- und haftungssicher das Verlangen des bedürftigen Erben auf Erlösherausgabe unter Berufung auf seine Entscheidungshoheit ablehnen? Und wenn ja, wie muss dafür der Entscheidungsprozess bei der Ermessensausübung aussehen? Wie sind die Rechte des zweiten und nicht bedürftigen Miterben zu berücksichtigen? Beginnen wir bei den Beschlüssen des BGH und des OLG Frankfurt.