Leitsatz
1. Der Wirksamkeit eines Testaments steht grundsätzlich nicht entgegen, dass es auf ungewöhnlichem Material (hier: Notizzettel minderer Qualität im Format 10 cm x 7 cm) errichtet wurde (im Anschluss an OLG Braunschweig NJW-RR 2019, 583).
2. Zur Ermittlung des Testierwillens in einem solchen Fall ist auf alle, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände zurückzugreifen. Erhebliches Gewicht kommt dem Umstand zu, wenn der Erblasser auch frühere Testamente auf ungewöhnlichem Papier errichtet hat.
3. Ein Widerruf des Testaments durch bloßes Einreißen der Urkunde bedarf einer besonders sorgfältigen Würdigung aller Umstände. Insbesondere bei Papier minderer Qualität und geringer Größe kann jedenfalls (auch) eine bloß zufällige Beschädigung naheliegen (Anschluss an BayObLG FamRZ 1996, 1110, BeckRS 1996, 31022844).
OLG München, Beschl. v. 28.1.2020 – 31 Wx 229/19
1 Tatbestand
I. Der ledige und kinderlose Erblasser ist am 10.6.2015 verstorben. Er hinterließ diverse Verfügungen von Todes wegen. Überwiegend hatte er in diesen seine Schwester, die Beteiligte zu 3, als Alleinerbin eingesetzt. Während eines Krankenhausaufenthalts errichtete der Erblasser am 7.5.2015 ein Schriftstück auf der Rückseite eines Notizzettels der Gemeinde Pfaffenhofen mit den Maßen 10 cm x 7 cm. Der Zettel weist an der Oberkante mittig einen Einriss von ca. 3 cm Länge auf. Er hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
Zitat
"Mein Testament lautet … dass alle Geschwister gerecht verteilt werden, besonders … , … und … nicht im Altenheim darben muss, …"
Es ist mit dem Namen des Erblassers unterschrieben. Die Beteiligte zu 3 ist der Ansicht, dass es sich nicht um ein Testament des Erblassers handele. Weder habe ein Testierwille vorgelegen, noch habe der Erblasser den Text eigenhändig ge- und unterschrieben. Das Nachlassgericht hat zur Urheberschaft ein Schriftsachverständigengutachten des Sachverständigen Diplom Psychologen (…) erholt.
Das AG – Nachlassgericht – Pfaffenhofen (Beschl. v. 31.1.2019 – VI 513/15) hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3 zurückgewiesen. Es ist der Ansicht, dass das fragliche Schriftstück vom Erblasser eigenhändig ge- und unterschrieben wurde und auch nicht widerrufen wurde. Es hat den Text dahin ausgelegt, dass die Geschwister des Erblassers als Erben zu gleichen Teilen berufen sind. Die Beschwerden hiergegen hatten keinen Erfolg.
2 Gründe
II. Die Beschwerden der Beteiligten zu 4 und 5 sind bereits unzulässig und waren deshalb zu verwerfen.
Verfahrensgegenständlich ist die Beschwerde der Beteiligte zu 3, mit der ihr Antrag, ihr einen Alleinerbschein aufgrund Testaments nach dem Erblasser zu erteilen, durch das Nachlassgericht zurückgewiesen wurde.
Bezogen auf diesen Verfahrensgegenstand sind die Beschwerdeführer unter keinen Umständen in eigenen subjektiven Rechten betroffen (§ 59 Abs. 1 FamFG), so dass ihre Beschwerden unzulässig sind.
Darauf hat bereits das Nachlassgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung hingewiesen, weswegen es eines weiteren Hinweises des Senats nicht bedurfte. Zwar obliegt dem Nachlass im Rahmen des Abhilfeverfahrens grundsätzlich nicht die Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde (vgl. § 68 Abs. 1 S. 1 FamFG), gleichwohl wurden die Beschwerdeführer durch die Nichtabhilfeentscheidung über die Unzulässigkeit ihrer Beschwerden unterrichtet, so dass sie diese jederzeit hätten zurücknehmen können.
III. Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 ist zwar zulässig, im Ergebnis jedoch nicht begründet.
Im Hinblick auf das Testament/Schriftstück vom 7.5.2015 hängt es in entscheidungserheblicher Art und Weise davon ab, ob dieses mit Testierwillen (zugleich 1.) vom Erblasser eigenhändig errichtet wurde (zugleich 2.) und ob dieses gegebenenfalls vom Erblasser in Widerrufsabsicht widerrufen wurde (zugleich 3.).
1. Der Senat ist davon überzeugt, dass das fragliche Schriftstück vom 7.5.2015 mit Testierwillen vom Erblasser errichtet wurde. Soweit dies seitens der Beschwerdeführer aufgrund des verwendeten Papiers (Notizzettel mit Aufdruck des Landkreis Pfaffenhofen im Format 10 cm x 7 cm, Papier mäßiger Qualität) angezweifelt wird, teilt der Senat diese Bedenken nicht.
a) Der Erblasser muss bei der Errichtung der Verfügung von Todes wegen mit Testierwillen gehandelt haben. Zur Ermittlung des Testierwillens ist auf alle dafür erheblichen Umstände zurückzugreifen, auch auf solche außerhalb der Urkunde, sowie auf die allgemeine Lebenserfahrung. Die Rechtsprechung hat als Regel der Lebenserfahrung den Satz aufgestellt, dass regelmäßig kein Grund besteht, der Frage nachzugehen, ob lediglich ein Entwurf vorliegt, wenn ein formgerecht abgefasstes Testament vorliegt, das inhaltlich vollständig ist und auch sonst keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Erblasser damit nicht seinen letzten Willen zum Ausdruck bringen wollte (Krätzschel, in: Firsching/Graf, NachlassR, 11. Aufl. 2019, § 8 Rn 2).
Umstände, die auf eine Ausnahme von dieser Regel hindeuten, können sich zum Beispiel daraus ergeben, dass das Testament auf einem (für den Erblasser) ungewöhnlichen Mater...