Die Entscheidung ist richtig. Sie ist sensationell. Sie wird Notaren nicht "schmecken". Der V. Zivilsenat des BGH hat mit ihr die Unterschriftsbeglaubigung durch die Betreuungsbehörde von Vorsorgevollmachten gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 BtBG erheblich gestärkt. Diese erfüllt die Anforderungen des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO für Erklärungen an das Grundbuchamt, gilt – das war höchst umstritten – sogar transmortal und erspart mithin in vielen Fällen den Erbschein.
1. Aus § 6 Abs. 2 S. 1 BtBG ergibt sich nicht die Kompetenz für die Betreuungsbehörde, etwa eine Generalvollmacht zu beglaubigen. So darf sie nur Unterschriften oder Handzeichen unter "Vorsorgevollmachten" bzw. "Betreuungsverfügungen" öffentlich beglaubigen. Diese dürfen dann auch eine Patientenverfügung umfassen. Jedoch ist die Behörde für eine Beglaubigung einer isolierten Patientenverfügung nicht zuständig (Horn, AnwF Vorsorgevollmachten, § 7 Rn 15). Nach dem BGH reicht es aus, um das Erfordernis "Vorsorgevollmacht" zu erfüllen, wenn eine im Außenverhältnis unbeschränkt erteilte Vollmacht im Innenverhältnis nur dann gelten soll, wenn der Vollmachtgeber betreuungsbedürftig geworden ist. Um diese Voraussetzung zu erfüllen, könne schon die Bezeichnung "Vorsorgevollmacht" in der Überschrift oder im Text reichen, so der BGH. Alternativ könne diese für den Vorsorgefall charakteristische Befugnisse umfassen. Diese klare Aussage vereinfacht es Vertragspartnern sowie Grundbuchämtern zu überprüfen, ob eine wirksame Vertretung vorliegt. Sie müssen also nicht prüfen, ob der Vertretene im Zeitpunkt der Vertretung tatsächlich betreuungsbedürftig war.
2. Eine sinnvolle Vereinfachung, die zur Rechtssicherheit in der Praxis führt, folgt auch daraus, dass durch den BGH endlich klargestellt ist, dass eine solche Vollmacht auch transmortal zur Vertretung befugt. Sie erlischt mithin nicht mit dem Tod des Vollmachtgebers. Eine "Lebensbescheinigung" des Vertretenen ist nicht erforderlich. Die von der Vorinstanz vorgenommene Splittung nach dem Tod in eine Nachlassvollmacht überzeugt nicht (so auch Müller-Engels, DNotZ 2021, 84, 90). Auch Pyhrr hatte bereits überzeugend begründet, dass solche Vollmachten auch transmortal im Grundstücksverkehr zum Einsatz kommen können (ErbR 2020, 773). Eine von der Betreuungsbehörde beglaubigte Vorsorgevollmacht macht damit in vielen Fällen auch einen gebührenauslösenden Erbschein obsolet. Wenn ein Bevollmächtigter nach dem Tod über Grundstücke verfügen kann, dann wird dieser auch in der Praxis ohne Probleme Bankkonten auflösen können.
3. Mit Inkrafttreten zum 1.1.2023 des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts (BT-Drs 19/27287; 2./3. Lesung im Bundestag war am 5.3.2021) wird § 6 Abs. 2 BtBG durch § 7 Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) ersetzt. Verwendet wird dann nicht mehr der unbestimmte Begriff "Vorsorgevollmacht", sondern für die Beglaubigungskompetenz der Betreuungsbehörde reicht es, wenn eine "Vollmacht" für den Zweck erteilt wird, "die Bestellung eines Betreuers zu vermeiden". Soweit so gut. Aber: Nach § 7 Abs. 1 S. 2 BtOG endet ausdrücklich die Wirkung der Beglaubigung mit dem Tod des Vollmachtgebers. Insoweit wird ein Gleichlauf mit der Vertretungsbefugnis eines Betreuers hergestellt, die auch mit dem Tod der betreuten Person endet (BeckOK BGB/Müller-Engels, § 1902 Rn 14). Dieser Gleichlauf hatte den Unterzeichner zunächst überzeugt (Horn ZEV 2020, 748, 749). Er hat sich allerdings von der Begründung des BGH überzeugen lassen: Im Geschäftsverkehr würden praktische Schwierigkeiten auftreten, da der Fortbestand der Vollmacht unsicher sei. Wenn die Vertretungsbefugnis nur solange besteht, wie der Vertretene lebt, ist stets zunächst unsicher, ob ein wirksames Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde. Der VorsorgeAnwalt e.V. hatte in seiner von Kurze unterzeichneten Stellungnahme vom 10.8.2020 den Gesetzgeber bereits darauf hingewiesen, dass durch die Einschränkung durch § 7 Abs. 1 S. 2 BtOG Vorsorgevollmachten "massiv torpediert" würden. Dies war vergeblich, aber vielleicht lässt sich der Gesetzgeber von der überzeugenden Begründung durch den BGH noch zu einer Reform überzeugen.
4. Was bedeutet dies für die Beratung? Ein Anwalt kann seinem Mandanten, für den er eine individuelle und umfassende Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung konzipiert hat, empfehlen, die Unterschriftsbeglaubigung durch die Betreuungsbehörde vornehmen zu lassen. Der Mandant sollte sich aber gleich drei bis fünf Vollmachten beglaubigen lassen, zumal die Unterschriftsbeglaubigung nur je 10 EUR kostet (§ 6 Abs. 5 BtBG). Schließlich muss bei jeder Vertretung ein Original vorgelegt werden. Rein deklaratorisch sollte aus dem Vollmachtstext hervorgehen, dass eine Vertretung erst bei Vorlage eines "Originals" zulässig ist. Der Mandant sollte dann diese Originale bei sich zu Hause verwahren, damit ein Bevollmächtigter nicht ohne Befugnis von der Vollmacht Gebrauch machen kann. Vollmachtsmissbrauch wird so vorgebeugt. Dem Bevollmächtigten kann aber durchaus eine ein...