Leitsatz
1. Ein Nachlasspfleger ist nicht Schuldner des Anspruchs i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, sondern lediglich zur Erfüllung einer fremden Schuld, nämlich einer solchen der unbekannten Erben, befugt. Die Möglichkeit von Nachlassgläubigern, ihren Anspruch bei Unbekanntheit der Erben gegenüber dem Nachlasspfleger geltend zu machen, soll die Gläubiger in die Lage versetzen, ihren Anspruch zeitnah geltend machen zu können und damit von der Dauer oft langwieriger Erbscheinsverfahren abzukoppeln. Mit der Schaffung dieser Klagemöglichkeit geht aber nicht eine zeitliche Vorverlagerung des Verjährungsbeginns einher.
2. Wollte man den Nachlasspfleger als "Schuldner" i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB qualifizieren, setzte dies zudem eine analoge Anwendung der Norm voraus. Eine solche scheidet vorliegend aber bereits deshalb aus, weil eine planwidrige Regelungslücke nicht ersichtlich ist.
LG Koblenz, Urt. v. 12.7.2021 – 12 O 199/18 im Anschluss an OLG Koblenz Beschl. v. 11.6.2019 – 8 W 201/19
1 Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagtenseite als Adoptivsohn des am 19.12.2012 verstorbenen Erblassers auf Zahlung von Pflichtteilsansprüchen in Anspruch. Ursprünglich war der Kläger durch testamentarische Verfügung des Erblassers zum Alleinerben berufen, wobei der Nachlass mit einem Vermächtnis i.H.v. 100.000 EUR zugunsten der Lebensgefährtin des Erblassers, ersatzweise deren Kinder, beschwert war. Alle namentlich bekannten Erben einschließlich des Klägers haben die Erbschaft ausgeschlagen, sodass das AG Cochem zunächst Herrn Rechtsanwalt R. am 9.12.2015 zum Nachlasspfleger bestellte. Der Kläger hat außergerichtlich Pflichtteilsansprüche geltend gemacht.
Der Nachlass des Erblassers bestand im Wesentlichen aus Immobilienvermögen in …. Im Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft bestanden Verbindlichkeiten des Erblassers i.H.v. insgesamt 3.605, 82 EUR.
Die Klageschrift des Klägers richtete sich ausweislich des dortigen Rubrums im Wortlaut zunächst gegen Herrn Rechtsanwalt R. als Nachlasspfleger für die unbekannten Erben des Erblassers. Der Klageantrag richtete sich im Wortlaut auf die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 20.107 und, 09 EUR nebst Zinsen. Der Wert des Immobilienvermögens des Erblassers betrug zum Stichtag 42.000 EUR (½ Anteil des Erblassers an Grundstücken im Gesamtwert von 84.000 EUR).
Mit Beschl. des AG Cochem vom 10.12.2018 wurde festgestellt, dass kein anderer Erbe als der Fiskus des Landes Rheinland-Pfalz vorhanden sei. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 16.1.2019 teilte der Kläger unter Bezugnahme auf diesen Beschluss mit, dass sich die Klage nunmehr nicht mehr gegen Rechtsanwalt R. als Nachlasspfleger für die unbekannten Erben, sondern gegen das Land Rheinland-Pfalz richte.
Mit Beschl. des OLG Koblenz vom 11.6.2019 wurde festgestellt, dass eine Klageänderung in Form eines Parteiwechsels auf Beklagtenseite nicht vorliegt.
Die Beklagtenseite hat für das im Nachlass befindliche Grundstück … ein Verkehrswertgutachten eingeholt, welches einen Verkehrswert von 84.000 EUR für das vorgenannte Grundstück ausweist.
Unter Berücksichtigung der bestehenden Nachlassverbindlichkeiten errechnet sich insgesamt ein Nachlasswert i.H.v. 38.394, 18 EUR.
Der Kläger hat ursprünglich beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 20.197,09 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2017 zu zahlen.
Mit Schriftsatz vom 18.9.2019 hat der Kläger die Klage in Höhe eines Teilbetrags von 1.000 EUR zurückgenommen und beantragt nunmehr,
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 19.197,09 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz an dem 21.12.2017 zu zahlen.
Die Beklagtenseite hat der Teil-Klagerücknahme zugestimmt und beantragt im Übrigen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagtenseite hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Wegen des Sach- und Streitstands wird im Übrigen Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 15.4.2019 und 16.12.2020.
2 Gründe
Die zulässige Klage ist im Umfang des vorstehenden Tenors begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagtenseite gem. § 2306 BGB einen Zahlungsanspruch i.H.v. 19.197,09 EUR. Gem. § 2306 BGG kann auch derjenige Erbe, der ein mit einem Vermächtnis beschwertes Erbe ausgeschlagen hat, seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen.
Zwischen den Parteien ist unstreitig geblieben, dass sich dieser Anspruch gegen das beklagte Land als Fiskalerben richtet. Unstreitig geblieben ist ferner der Wert des Nachlasses und der sich hieraus der Höhe nach ergebende Zahlungsanspruch. Unter Berücksichtigung des unstreitigen Vortrags der Klägerseite dahingehend, dass der Wert des hälftigen Miteigentumsanteils des Erblassers an den Grundstücken in 42.000 EUR zum Stichtag betrug, und unter Berücksichtigung des ebenfalls unstreitig gebliebenen Vortrags, dass Nachlassverbindlichkeiten i.H.v. 3.605,382 EUR bestanden haben, errechnet sich ein Nachlasswert i.H.v. 38.394, 18 EUR. Der hiervon auf den Kläger gem. § 2303 BGB entfallende Pflichtteilsanspr...