I.

Die verwitwete Erblasserin ist am xx.xx.2022 in Ruhpolding verstorben.

Bei den Beteiligten zu 1 und 2 handelt es sich jeweils um Adoptivkinder der Erblasserin, wobei der Beteiligte zu 1 gemeinsam mit dem vorverstorbenen Ehemann adoptiert worden war, die Beteiligte zu 2 lediglich von der Erblasserin im Jahre 2018.

Gemeinsam mit ihrem im Jahre 2003 vorverstorbenen Ehemann hatte die Erblasserin am xx.xx.1963 einen notariellen Ehe- und Erbvertrag und am xx.xx.1997 ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Am xx.xx.2007 hatte sie zudem ein eigenhändiges Testament errichtet, am xx.xx.2016 zudem ein weiteres notarielles Testament. Für den Inhalt der Verfügungen wird auf die jeweiligen Urkunden Bezug genommen.

Der Beteiligte zu 1 beantragte am xx.xx.2023 zur Niederschrift des Nachlassgerichts einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist.

Am 21.11.2023 kündigte das Nachlassgericht die Erteilung eines entsprechenden Erbscheins an und setzte die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses aus. Es ging im Wesentlichen davon aus, dass dem Beteiligten zu 1 in dem Ehe- und Erbvertrag der wesentliche Vermögensgegenstand zugewendet worden ist, sodass von einer Erbeinsetzung auszugehen sei. Der Beteiligte zu 1 habe nach dem Tod des Vaters seinen Pflichtteil nicht geltend gemacht, sodass er nach dem Tod der Erblasserin nicht enterbt sei.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2 (Beschwerdeführerin) v. xx.xx.2023, die mit Schriftsatz v. xx.xx.2023 umfangreich begründet wurde.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschl. v. xx.xx.2023 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschl. des Nachlassgerichts v. xx.xx.2023 hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg.

Die Sache ist unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses an das Nachlassgericht zurückzugeben, da das Abhilfeverfahren an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel – Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs – leidet.

1. Zweck des Abhilfeverfahrens – auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit – ist es, dass das Ausgangsgericht seine Entscheidung noch einmal überprüft und der Beschwerde gegebenenfalls abhilft, bevor das Obergericht mit ihr befasst wird (OLG München – 31 Wx 99/16, FGPrax 2017, 42; MüKo-ZPO/Hamdorf, 6. Aufl. 2020, § 572 Rn 5). Das Ausgangsgericht hat sich in jedem Fall mit dem Beschwerdevorbringen sachlich auseinanderzusetzen, insbesondere um dem Beschwerdegericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob das Nachlassgericht seiner Verpflichtung zur Selbstkontrolle nachgekommen ist (Horn, in: NK/Nachfolgerecht, 3. Aufl. 2023, § 68 FamFG Rn 5). Für die Begründungsintensität kommt es auch darauf an, ob sich das Ausgangsgericht in der Ausgangsentscheidung bereits mit den Argumenten des Beschwerdevorbringens auseinandergesetzt hat (Horn, a.a.O).

2. Diesen Anforderungen wird die Abhilfeentscheidung des Nachlassgerichts ersichtlich nicht gerecht. Mit dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung v. xx.xx.2023 setzt es sich in keiner Weise auseinander. Dies wird das Nachlassgericht in dem erneut durchzuführenden Abhilfeverfahren nachzuholen haben.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Sofern das Nachlassgericht die Alleinerbenstellung des Beteiligten zu 1 aus dem Ehe- und Erbvertrag vom xx.xx.1963 herleitet, wird es sich damit auseinanderzusetzen haben, dass eine ausdrückliche Erbeinsetzung für den zweiten Erbfall nicht vorliegt. Da vorliegend die Auslegung einer notariellen Urkunde inmitten steht, wird das Nachlassgericht diesen Umstand besonders zu würdigen haben. Sofern das Nachlassgericht die Alleinerbenstellung des Beteiligten zu 1 daraus herleiten will, dass diesem von den Testatoren zwar nur ein Einzelgegenstand, nach ihrer Vorstellung aber gleichwohl der wesentliche Vermögensgegenstand zugewandt wurde, was sich grundsätzlich als Erbeinsetzung darstellen kann, fehlt es bislang an Feststellungen zum Vermögen der Testatoren im Errichtungszeitpunkt, aus denen sich ein solcher Schluss ziehen ließe.

Darüber hinaus wäre zu prüfen, ob die – unterstellte – Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 auch vertragsmäßig wäre. Allein der Umstand, dass die Verfügung in einem Erbvertrag getroffen wurde, belegt dies nicht, da auch einseitige Verfügungen (auch Erbeinsetzungen) Gegenstand eines Erbvertrags sein können (NK-BGB/Horn, 6. Aufl. 2022, § 2299 Rn 4). Ob in einem Erbvertrag enthaltene Verfügungen vertragsmäßig oder einseitig getroffen sind, bestimmt sich nach dem Erblasserwillen und ist im Wege der Auslegung zu klären (BayObLG, Beschl. v. 16.1.1997 – 1Z BR 84/96, NJWE-FER 1997, 133).

b) Sollte das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass der Ehe- und Erbvertrag für sich genommen keine Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 enthält, wird es zu prüfen haben, ob sich eine solche allein aus dem gemeinschaftlichen Testament v. xx.xx.1997 oder aber in Zusammenschau mit dem Ehe- und Erbvertrag v. xx.xx.1963 ergibt. Zwar en...

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