Ungeachtet der weitestgehend theoretischen Ansätze für die Vorschaltung einer kollisionsrechtlichen Fragestellung auch für das anzuwendende Verfahrensrecht ist man sich im Ergebnis einig, dass sich das Verfahren immer nach dem Recht des angerufenen Forums richtet, sog. Lex fori-Prinzip. Der hier tätige Rechtsanwalt muss sich daher zunächst einmal klarmachen, dass in dem Moment, in dem er ein deutsches Gericht anruft, dieses auch deutsches Verfahrensrecht, also die ZPO oder das FGG, anwendet. Dies gilt unabhängig davon, ob materiellrechtlich deutsches oder ausländisches Recht anzuwenden wäre. Im zulässigen Fall hätte das deutsche Gericht ausländisches Recht anzuwenden. Für die Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte gelten daher grundsätzlich die §§ 1–34 und 72 ff FGG. Allerdings muss der Bearbeiter beachten, dass Staatsverträge und EG-Verordnungen in Teilbereichen dem autonomen Verfahrensrecht vorgehen. Die für Mitgliedstaaten der Europäischen Union regelmäßig beachtliche Europäische Gerichtsstand- und Vollstreckungs-Verordnung (kurz: EuGVVO), spielt jedoch im Erbscheinsverfahren lediglich eine mittelbare Rolle. Gemäß Art. 1 Absatz 2 Ziff. a) sind Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts vom Anwendungsbereich der EuGVVO ausgenommen. Bei einem Erbscheinsverfahren mit Bezug zu den USA bleibt es ohnehin bei der oben erwähnten Anwendung des FGG, da es keine entsprechenden bilateralen Abkommen zwischen Deutschland und den USA gibt.
I. Örtliche und sachliche Zuständigkeit
Für die örtliche und sachliche Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte bei einem Erbscheinsverfahren mit Auslandsbezug ergeben sich keine Besonderheiten. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 72 FGG und ist grundsätzlich den Amtsgerichten als Nachlassgerichte zugewiesen. Eine Besonderheit gilt für Baden-Württemberg. Aufgrund des Ländervorbehaltes in Art. 147 EGBGB sind dort gemäß den §§ 36, 38 BaWüLFGG auch die Notariate als Nachlassgerichte zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 73 FGG. Gemäß § 73 Absatz 1 HS 1 FGG ist das Nachlassgericht zuständig, in dem der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen letzten Wohnsitz hatte. Bei mehreren Wohnsitzen des Erblassers ist gemäß § 4 FGG das Nachlassgericht zuständig, das zuerst tätig geworden ist. Hatte der Erblasser keinen inländischen Wohnsitz, so kommt es gemäß § 73 Absatz 1 HS 2 FGG darauf an, wo er zur Zeit des Erbfalls seinen Aufenthalt hatte. Wenn der Erblasser zur Zeit des Erbfalls weder Wohnsitz noch Aufenthalt in Deutschland hatte, ist gemäß § 73 Absatz 2 FGG das Nachlassgericht Berlin-Schöneberg zuständig. Das setzt weiterhin voraus, dass der Erblasser deutscher Staatsangehöriger war, wobei eine etwaige weitere Staatsbürgerschaft unschädlich ist. War der Erblasser Ausländer und hatte zur Zeit des Erbfalls weder Wohnsitz noch Aufenthalt in Deutschland, so ist gemäß § 73 Absatz 3 FGG gleichwohl das Nachlassgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich Nachlassgegenstände befinden. Diese Zuständigkeit entfällt, wenn zum Zeitpunkt des Befasstwerdens keine Nachlassgegenstände mehr im Gerichtsbezirk des Nachlassgerichts vorhanden waren. Handelt es sich zudem gemäß § 2369 Absatz 2 BGB um Gegenstände, für die von einer deutschen Behörde ein zur Eintragung des Berechtigten bestimmtes Buch oder Register geführt wird, so ist das Nachlassgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die das Buch oder Register führende Behörde ihren Sitz hat. Funktional zuständig für die Erteilung eines Erbscheins ist gemäß § 3 Absatz 2 c RPflG der Rechtspfleger. Jedoch ist gemäß § 16 Absatz 1 Ziff. 6 RPflG die Entscheidung dem Richter vorbehalten, wenn eine Verfügung von Todes wegen vorliegt sowie ein gegenständlich beschränkter Erbschein zu erlassen wäre. Bei der Anwendung ausländischen Rechts besteht gemäß § 5 Absatz 2 RPflG lediglich ein Vorlagerecht des Rechtspflegers.
Im Überblick ergeben sich damit folgende mögliche örtliche Zuständigkeiten:
1) 73 Absatz 1 FGG |
Wohnsitz des Erblassers zurzeit des Erbfalls |
Aufenthalt des Erblassers zur Zeit des Erbfalls |
2) 73 Absatz 2 FGG |
Amtsgericht Berlin-Schöneberg |
- Erblasser = deutscher Staatsangehöriger |
- Erblasser ≠ Wohnsitz oder Aufenthalt in Deutschland |
3) § 73 Absatz 3 FGG |
Nachlassgericht, in dessen Bezirk sich Nachlassgegenstände befinden |
- Erblasser = Ausländer |
- Erblasser ≠ Wohnsitz oder Aufenthalt in Deutschlan... |