Für die örtliche und sachliche Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte bei einem Erbscheinsverfahren mit Auslandsbezug ergeben sich keine Besonderheiten. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 72 FGG und ist grundsätzlich den Amtsgerichten als Nachlassgerichte zugewiesen. Eine Besonderheit gilt für Baden-Württemberg. Aufgrund des Ländervorbehaltes in Art. 147 EGBGB sind dort gemäß den §§ 36, 38 BaWüLFGG auch die Notariate als Nachlassgerichte zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 73 FGG. Gemäß § 73 Absatz 1 HS 1 FGG ist das Nachlassgericht zuständig, in dem der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen letzten Wohnsitz[18] hatte. Bei mehreren Wohnsitzen des Erblassers ist gemäß § 4 FGG das Nachlassgericht zuständig, das zuerst tätig geworden ist.[19] Hatte der Erblasser keinen inländischen Wohnsitz, so kommt es gemäß § 73 Absatz 1 HS 2 FGG darauf an, wo er zur Zeit des Erbfalls seinen Aufenthalt[20] hatte. Wenn der Erblasser zur Zeit des Erbfalls weder Wohnsitz noch Aufenthalt in Deutschland hatte, ist gemäß § 73 Absatz 2 FGG das Nachlassgericht Berlin-Schöneberg zuständig. Das setzt weiterhin voraus, dass der Erblasser deutscher Staatsangehöriger war, wobei eine etwaige weitere Staatsbürgerschaft unschädlich ist.[21] War der Erblasser Ausländer und hatte zur Zeit des Erbfalls weder Wohnsitz noch Aufenthalt in Deutschland, so ist gemäß § 73 Absatz 3 FGG gleichwohl das Nachlassgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich Nachlassgegenstände befinden. Diese Zuständigkeit entfällt, wenn zum Zeitpunkt des Befasstwerdens keine Nachlassgegenstände mehr im Gerichtsbezirk des Nachlassgerichts vorhanden waren.[22] Handelt es sich zudem gemäß § 2369 Absatz 2 BGB um Gegenstände, für die von einer deutschen Behörde ein zur Eintragung des Berechtigten bestimmtes Buch oder Register geführt wird, so ist das Nachlassgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die das Buch oder Register führende Behörde ihren Sitz hat.[23] Funktional zuständig für die Erteilung eines Erbscheins ist gemäß § 3 Absatz 2 c RPflG der Rechtspfleger. Jedoch ist gemäß § 16 Absatz 1 Ziff. 6 RPflG die Entscheidung dem Richter vorbehalten, wenn eine Verfügung von Todes wegen vorliegt sowie ein gegenständlich beschränkter Erbschein zu erlassen wäre. Bei der Anwendung ausländischen Rechts besteht gemäß § 5 Absatz 2 RPflG lediglich ein Vorlagerecht des Rechtspflegers.

Im Überblick ergeben sich damit folgende mögliche örtliche Zuständigkeiten:

 
1) 73 Absatz 1 FGG Wohnsitz des Erblassers zurzeit des Erbfalls
Aufenthalt des Erblassers zur Zeit des Erbfalls
2) 73 Absatz 2 FGG Amtsgericht Berlin-Schöneberg
- Erblasser = deutscher Staatsangehöriger
- Erblasser ≠ Wohnsitz oder Aufenthalt in Deutschland
3) § 73 Absatz 3 FGG Nachlassgericht, in dessen Bezirk sich Nachlassgegenstände befinden
- Erblasser = Ausländer
- Erblasser ≠ Wohnsitz oder Aufenthalt in Deutschland
[18] Zum Begriff des "Wohnsitzes" und zu dessen Begründung vgl. §§ 711 BGB.
[19] "Tätig werden" im Sinne des § 4 FGG bedeutet nicht bloß lediglich befasst sein (§§ 43, 45 FGG), sondern setzt eine Anordnung des Nachlassgerichts voraus, die sich nicht bloß auf seine Zuständigkeit bezieht; vgl. Bumiller/Winkler Komm. FGG, 8. Auflage 2006 Rn 5 ff.
[20] Als "Aufenthalt" ist der Ort zu verstehen, an dem sich der Erblasser zurzeit seines Todes befand, gleichgültig ob dies vorübergehend oder von längerer Dauer, gewollt oder unfreiwillig, bewusst oder unbewusst war; vgl. Bumiller/Winkler Komm. FGG 8. Auflage 2006, § 73 Rn 8.
[21] Vgl. Bumiller/Winkler aaO, § 73 Rn 13 mit Nachweis in KG OLG 69, 285/287.
[22] Vgl. Bumiller/Winkler aaO, § 73 Rn 17 mit Nachweis in KG OLGZ 1975, 293, dass seine Rechtsansicht überzeugend damit begründet, "dass die Verfahrensvoraussetzungen, zu denen die örtliche Zuständigkeit gehört, jedenfalls im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung gegeben sein müssen."
[23] Grundbuch; Handels-, Schiffs-, Musterregister; Patentrolle; Staatsschuldrolle etc.

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