Leitsatz
1. Unterstellt das ausländische internationale Privatrecht den gesamten Nachlass – unabhängig davon, ob es sich um beweglichen oder unbeweglichen handelt und wo er belegen ist – seinem materiellen Erbrecht, so stellt dies kein Sonderstatut iSv Art. 3 a Abs. 2 EGBGB, sondern ein gegebenenfalls vom deutschen internationalen Privatrecht abweichendes Gesamtstatut dar.
2. Auch eine ausländische Stiftung, die erst nach dem Eintritt des Erbfalls errichtet wird, kann grundsätzlich erbfähig iSv § 1923 BGB sein, wenn sie nach ihrem Heimatrecht Rechtsfähigkeit erlangt hat.
OLG München, Beschluss vom 8. April 2009 – 31 Wx 121/08
Sachverhalt
1. Der Erblasser ist am 21.12.2006 unverheiratet und kinderlos im Alter von 70 Jahren in der Schweiz verstorben, wo er seit 1954 nahezu ununterbrochen auch gelebt hatte.
Der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger. Die Beteiligten zu 1 bis 10 sind seine gesetzlichen Erben. Die Beteiligte zu 11 ist die für den letzten inländischen Wohnsitz des Erblassers zuständige Stiftungsaufsicht. Die Beteiligte zu 12 wurde als Stiftung nach schweizerischem Recht am 19.11.2007 von der Lebensgefährtin des Erblassers gegründet und am 7.12.2007 in das Handelsregister das Kantons Graubünden eingetragen.
Der Erblasser errichtete am 21.11.1985 in Deutschland ein notarielles Testament, mit dem er den SOS Kinderdorf e.V. mit Sitz in München zum Vor- und die Aktion Sonnenschein zum Nacherben einsetzte für den Fall, dass der Vorerbe binnen fünf Jahren ab dem Tod des Erblassers auf dessen Grundbesitz (in Deutschland) kein Kinderdorf errichten oder diesen binnen dreißig Jahren nach dem Erbfall veräußern sollte.
Dieses Testament wurde vom Erblasser am 12.8.2002 aus der besonderen amtlichen Verwahrung des Amtsgerichts L. zurückgenommen. Auf der Testamentsurkunde ist unter Ziffer II. (Erbeinsetzung) der Teil des Textes, der die Alleinerbeinsetzung des SOS Kinderdorf-Vereins enthielt, durchgestrichen und darunter handschriftlich vermerkt "zeigten kein Interesse". Dieses Testament gelangte erst am 24.2.2009 zu den Verfahrensakten. Infolge der Rückgabe aus der amtlichen Verwahrung gilt es als widerrufen, §§ 2256 BGB.
Am 15.7.2004 errichtete der Erblasser in der Schweiz ein handschriftliches Testament, das auszugsweise wie folgt lautet:
Zitat
"Testament "
Ich (...) mache hiermit ein Testament.
Ich errichte eine Stiftung mit meinem ganzen Vermögen wie Immobilien, Bargeld, Wertpapiere und Eigentumswohnungen in der Schweiz.
Der Aktion Sonnenschein (...) in München (...) darf pro Jahr zum derzeitigen Wert des Euro ein Betrag von 50.000 EUR (...) ausbezahlt werden. Verwendungszweck nur für mehrfach oder behinderte Kinder der Aktion Sonnenschein.
Die Erben dürfen die Häuser zum Zwecke der Kinder auch bewohnen, verpflichten sich aber einen Verwalter einzusetzen, falls die Häuser sechs an der Zahl nicht verkauft werden.“
Der Nachlass besteht in Deutschland aus Immobilien (sechs bebaute und ein unbebautes Grundstück) im Gesamtwert von ca. 1,3 Mio. EUR sowie Bankguthaben in Höhe von ca. 100.000 EUR; in der Schweiz befinden sich zwei Eigentumswohnungen im Wert von ca. 500.000 EUR sowie Geldvermögen in Höhe von ca. 130.000 EUR.
2. Die Beteiligten zu 1 bis 10, die zunächst die Echtheit der auf dem Testament vom 15.7.2004 angebrachten Unterschrift des Erblassers bestritten hatten, diesen Einwand jedoch schon vor dem Nachlassgericht wieder zurückgenommen haben, gehen wie die übrigen Beteiligten davon aus, dass das verfahrensgegenständliche Testament formgültig errichtet wurde. Dem Testament sei jedoch keine Erbeinsetzung zu entnehmen, da es zu unbestimmt und daher nicht auslegungsfähig sei. Der Satz "die Erben dürfen die Häuser zum Zwecke der Kinder auch bewohnen" verdeutliche, dass der Erblasser von gesetzlicher Erbfolge ausging. Das Testament sei dahingehend auszulegen, dass den gesetzlichen Erben darin zur Auflage gemacht werde, eine Stiftung zu errichten. Falls das Testament aber – wie nicht – dahingehend auszulegen sei, dass eine Stiftung Alleinerbin sei, so habe der Erblasser jedenfalls die Begünstigung einer inländischen Stiftung beabsichtigt. Auch die Beteiligte zu 11 ist der Ansicht, dass der Erblasser eine von ihr im Inland noch zu errichtende Stiftung begünstigen wollte, allerdings sei das Testament eindeutig dahingehend auszulegen, dass diese Stiftung Erbin sein sollte. Da jedoch aus der Sicht des schweizerischen internationalen Privatrechts hinsichtlich des in der Schweiz befindlichen Nachlasses schweizerisches Erbrecht zur Anwendung gelange, sei Nachlassspaltung eingetreten, weswegen zwei Stiftungen zu errichten seien (eine in Deutschland und eine in der Schweiz), in die der im jeweiligen Land befindliche Nachlass einzubringen sei.
3. Zunächst hatte keiner der Beteiligten einen Erbschein beantragt. Die erst im November 2007 errichtete und daher im Verfahren vor dem Nachlassgericht nicht beteiligte Beteiligte zu 12 hat erst im September 2008 die Erbschaft angenommen und die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist, beantr...