Leitsatz
1. Die Klage auf Auflassung eines Grundstücks kann gegen einen einzelnen Miterben gerichtet werden, sofern die übrigen leistungsbereit sind.
2. Bei der Auslegung, ob eine Teilungsanordnung oder ein Vermächtnis gewollt gewesen ist, sind für die Abgrenzung wesentlich der Begünstigungswille und der Vermögensvorteil, also die vom Erblasser gewollte wertmäßige Verteilung des Nachlasses.
LG Krefeld, Urteil vom 12. Februar 2010 – 5 O 352/09
Sachverhalt
Die Parteien sind – neben einem weiteren Bruder – die Kinder des am 27.7.2007 verstorbenen Erblassers. Auch die Mutter der Parteien ist zwischenzeitlich verstorben, zuvor hatte sie den Nachlass nach ihrem Ehemann ausgeschlagen. Der Erblasser war Eigentümer zweier Grundstücke, nämlich X. und in X. Deren Eigentümer ist nunmehr die Erbengemeinschaft, bestehend aus den Parteien und ihrem Bruder.
Der Erblasser hatte handschriftlich als Zusatz zu seinem Testament, mit dem er seine Ehefrau zu unbeschränkten Vorerbin eingesetzt hatte, verfügt:
"das Haus X. geht an X. und darf nicht verkauft werden. Im Verkaufsfalle in Erbmasse."
Der nicht verklagte weitere Bruder der Parteien ist mit der Grundstücksübertragung auf die Klägerin einverstanden.
Die Klägerin ist der Auffassung, mit dem Testamentszusatz habe der Erblasser zu ihren Gunsten ein Vermächtnis angeordnet. Hintergrund sei, dass ihre Brüder bereits zu Lebzeiten Häuser finanziert erhalten hätten. Das Ziel des Erblassers sei gewesen, dass jedes seiner Kinder ein Haus habe. So habe der Beklagte 1991 den Betrag von 180.000 DM vom Erblasser erhalten.
Es sei dem Erblasser darauf angekommen, dass sie, die Klägerin, auf jeden Fall das oben genannte Grundstück erhalte: Den Nachtrag habe er aufgesetzt, um zu verhindern, dass das Haus unter die Vorerbschafts-Regelung falle und seine Ehefrau gegebenenfalls darüber verfüge. Sie, die Klägerin, sei unstreitig 1988/89 auf Wunsch der Eltern, auch mit ihrer Kanzlei, in dieses Haus gezogen. Unstreitig habe der Erblasser 1993, da ihr die Räumlichkeiten zu eng geworden seien, den Mietern des Dachgeschosses gekündigt und dieses ab Sommer 1994 an sie vermietet. Es habe ihr daher vorab, nicht erst dem Nacherbfall, zukommen sollen.
Mit einer Teilungsanordnung sei dieser Zusatz nicht vereinbar, da es bei der Vorerbschaft ja keinen auf die Kinder zu teilenden Nachlass gegeben habe.
Mit der Klausel "darf nicht verkauft werden" habe sich der Erblasser allein an seine Ehefrau gewandt. Nur wenn sie, die Klägerin, das Vermächtnis ausgeschlagen hätte, hätte das Grundstück veräußert werden dürfen und der Erlös wäre in die Erbmasse gefallen. (...)
Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Die nur gegen den Beklagten gerichtete Klage ist zulässig, es bedurfte nicht der Klage gegen alle Mitglieder der Erbengemeinschaft. Die Klage auf Auflassung eines Grundstücks kann gegen einen einzelnen Miterben gerichtet werden, sofern die übrigen leistungsbereit sind (und OLG Naumburg, Urteil vom 16. 1.1997, NJW-RR 1998, 308 f).
Der weitere Bruder der Parteien ist mit der Auflassung des streitgegenständlichen Grundstücks auf die Klägerin einverstanden. (...)
2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Auflassung des Grundstücks und Umschreibung im Grundbuch aus Vermächtnis, §§ 2150,2174 BGB. Der Erblasser hat zugunsten der Klägerin ein Vermächtnis angeordnet. Dies folgt aus der Auslegung seiner Verfügung, das Haus X. gehe an die Klägerin und dürfe nicht verkauft werden, im Verkaufsfalle in Erbmasse.
Bei der Auslegung, ob eine Teilungsanordnung oder ein Vermächtnis gewollt gewesen ist, sind für die Abgrenzung wesentlich der Begünstigungswille und der Vermögensvorteil, also die vom Erblasser gewollte wertmäßige Verteilung des Nachlasses: Wollte der Erblasser einem Miterben einen Mehrwert zusätzlich zu seinem Erbteil zuwenden, so liegt ein (Voraus-)Vermächtnis vor. Sollte nach dem Willen des Erblassers eine solche Wertverschiebung ausgeschlossen sein, indem der betreffende Miterbe einen entsprechenden Ausgleich aus einem eigenen Vermögen zahlen muss, handelt es sich um eine Teilungsanordnung. Hierbei braucht ein Ausgleich sich nicht ausdrücklich oder konkludent vom Erblasser bestimmt worden zu sein. Vielmehr spricht das Schweigen des Testaments immer für einen Wertausgleich. Ist Erblasserwillen nicht zu ermitteln, muss seiner Regelung der Sinn zugrunde gelegt werden, der seinem mutmaßlichen Willen am ehesten entspricht. Ein dem Erblasser bekannter objektiver Vermögensvorteil wird dabei Indiz für einen Begünstigungswillen sein (Palandt/Edenhofer, BGB – Kommentar, 68. Aufl., § 2058 Rn 5 f).
Der von dem Erblasser mit der Zusatzklausel verfolgte Zweck kann nicht unmittelbar ermittelt werden. Er hat sich zu dieser Klausel nicht zu Lebzeiten erklärt.
Daher ist sein mutmaßlicher Wille zu ermitteln.
Der Erblasser war Kaufmann. Er wusste dass er der Klägerin (im Nichtverkaufsfall) ein bestimmtes Vermögensobjekt und damit einen gesonderten Vorteil zuwendete, da er für die Verteilung seines übrigen Vermögens keine Anordnung traf. Allein für den Fall...