Grundsätzlich bedeutet "einheitliche Stimmrechtsausübung", dass die Einflussnahme einzelner Anteilseigner zum Zwecke einer einheitlichen Willensbildung zurücktreten muss. Hieraus zieht die Finanzverwaltung den Schluss, dass stimmrechtslose Anteile nicht zur Einbeziehung in Poolvereinbarungen geeignet seien.
Diese Auffassung findet im Gesetzeswortlaut keinerlei Stütze. Ihr kann daher nicht gefolgt werden. Denn § 13 b Abs. 1 Nr. 3 Abs. S. 1 ErbStG, der Kapitalgesellschaftsanteile im Falle des Erreichens der Mindestbeteiligungsquote als begünstigungsfähiges Vermögen definiert, enthält keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Ausstattung der Anteile; er stellt vielmehr einzig und allein auf die Mindestbeteiligungsquote ab. Im Falle des unmittelbaren Erreichens der Mindestbeteiligungsquote durch den Erblasser/Schenker spielt also von Gesetzes wegen – und auch nach Auffassung der Finanzverwaltung – die Stimmberechtigung der Anteile keine Rolle. Warum im Falle der Zusammenrechnung mit Anteilen anderer Gesellschafter etwas anderes gelten soll, ist nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass sowohl der Gesetzgeber als auch die Finanzverwaltung verschiedene Möglichkeiten der Sicherstellung einer einheitlichen Stimmrechtsausübung für zulässig halten. Hierzu zählt auch die Variante, dass einzelne Gesellschafter auf ihr Stimmrecht verzichten. Der Verzicht auf ein ursprünglich vorhandenes Stimmrecht soll also nach Verwaltungsauffassung ein taugliches Mittel zur Poolung von Beteiligungen darstellen, während die ursprüngliche Stimmrechtslosigkeit einer Poolung entgegenstehen soll. Das erscheint wenig konsequent. Dies gilt umso mehr, als nach der Gesetzesbegründung auch die (ursprüngliche) Stimmrechtslosigkeit ausdrücklich als taugliches Mittel der Sicherstellung einer einheitlichen Stimmrechtsausübung in Betracht kommt.
Entgegen der Verwaltungsauffassung müssen – angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes – auch stimmrechtslose Gesellschaftsanteile in Poolvereinbarungen einbezogen werden können. Bei ihnen bedarf die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der einheitlichen Stimmrechtsausübung keiner weiteren Umsetzungsmaßnahmen, faktisch geht es ins Leere. Dies gilt insbesondere auch für stimmrechtslose Vorzugsaktien, solange deren Stimmrecht nicht wegen mehrfachen Ausbleibens der Vorzugsdividende wieder aufgelebt ist (vgl. § 140 Abs. 2 AktG). Das Beispiel der Vorzugsaktien macht überdies ein weiteres Problem der Verwaltungsauffassung deutlich: Zur Feststellung, ob die Vorzugsaktien tatsächlich stimmrechtslos sind, müsste nicht nur ihre abstrakte aktienrechtliche Ausgestaltung geprüft werden, sondern vielmehr auch die individuellen Verhältnisse am Übertragungsstichtag. Auch das erscheint im Hinblick auf die Streitanfälligkeit dieser Fragestellung (unter aktien- bzw. gesellschaftsrechtlichen Aspekten) wenig zielführend.
Ungeachtet der berechtigten Kritik in der Literatur hält die Finanzverwaltung aber offensichtlich an ihrer Auffassung zur Behandlung stimmrechtsloser Kapitalgesellschaftsanteile fest. Hinsichtlich stimmrechtsloser Vorzugsaktien hat das Bayerische Landesamt für Steuern mit Verfügung vom 19.2.2013 einige wesentliche Varianten und deren Beurteilung durch die Verwaltung dargestellt. Auch wenn stimmrechtslose Vorzugsaktien lediglich eine von mehreren in Betracht kommenden Varianten stimmrechtsloser Kapitalgesellschaftsanteile darstellen, ist wohl davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung dieselben Grundsätze auch auf stimmrechtslose GmbH-Geschäftsanteile anwenden dürfte. Im Einzelnen geht die Verwaltung von folgenden Grundsätzen aus:
Hält der Erblasser/Schenker unmittelbar stimmrechtslose Vorzugsaktien an einer AG, hängt die Begünstigungsfähigkeit für erbschaftsteuerliche Zwecke allein vom Umfang der Beteiligung ab. Bei der Beurteilung der Mindestbeteiligung im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG kommt es nicht auf die mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte an, sodass auch stimmrechtslose Anteile ohne Weiteres begünstigungsfähiges Vermögen sein können. Dieselben Grundsätze gelten auch, wenn der Erblasser/Schenker sowohl stimmberechtigte als auch stimmrechtslose Aktien an ein und derselben Aktiengesellschaft hält.
Beispiel 1:
S schenkt B gleichzeitig unmittelbar gehaltene stimmberechtigte Stammaktien an des S-AG iHv 8 % sowie mittelbar gehaltene stimmrechtlose Vorzugsaktien iHv 20 %.
Lösung 1:
Die von S unmittelbar gehaltenen Stamm- und Vorzugsaktien erfüllen die Mindestbeteiligung von mehr als 25 % nach § 13 b Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG. Die übertragenen Anteile (Stamm- und Vorzugsaktien) sind begünstigungsfähiges Vermögen.
Beispiel 2:
S schenkt B gleichzeitig unmittelbar gehaltene stimmberechtigte Stammaktien an der S-AG iHv 8 % sowie unmittelbar gehaltene stimmrechtslose Vorzugsaktien iHv 20 %. Die Stammaktien von 8 % sind mit stimmberechtigten Anteilen anderer Gesellschafter gepoolt; der Pool erfüllt die Mindestbeteiligung von mehr als 25 %. Die stimm...