Leitsatz
Kann der Vorerbe den Nachweis, dass das von ihm übertragene Grundstück den vollständigen Nachlass ausmacht, nicht mit den im Grundbuchverfahren zulässigen Beweismitteln führen, so ist zur Löschung des Nacherbenvermerks sowie Eintragung der Eigentumsänderung die Vorlage der Zustimmungserklärung aller Nacherben in Form des § 29 GBO notwendig.
OLG Hamm, Beschluss vom 13. März 2019 – 15 W 364/18
Aus den Gründen
Die nach §§ 71 ff GBO zulassige Beschwerde der Beteiligten ist unbegrundet. Das Grundbuchamt hat die unter Loschung des Nacherbenvermerks vorzunehmenden Eintragungen zu Recht davon abhangig gemacht, dass samtliche Nacherben der in dem notariellen Vertrag vom 23. Mai 2018 (UR.-Nr. .../2018 des Rechtsanwalts T als Vertreter des Notars I) erklarten Ubertragung des Eigentums auf den Beteiligten zu 2) und Bestellung des Wohnrechts zugunsten der Beteiligten zu 1) zustimmen.
Ein Nacherbenvermerk (§ 51 GBO) kann nur dann geloscht werden, wenn entweder der eingetragene Nacherbe die Loschung bewilligt oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs in der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist (§§ 19, 22 Abs. 1 GBO, Senat OLGZ 1991, 137 f). Beides ist vorliegend nicht der Fall.
1. Das Grundbuch ist in Bezug auf den Nacherbenvermerk nicht aufgrund des zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Grundstucksubertragungsvertrags vom 23. Mai 2018 unrichtig geworden, weil das Grundstuck dadurch mit Wirkung gegenuber dem Nacherben aus dem Nachlass ausgeschieden ware. Diese Folge tritt nur ein, wenn der Vorerbe das Grundstuck entweder mit Zustimmung aller Nacherben – die hier nicht vorliegt – oder aber als befreiter Vorerbe entgeltlich an eine andere Rechtspersonlichkeit veraußert hat (§§ 2112, 2113 Abs. 1 und 2, § 2136 BGB). Daher kann vorliegend dahin stehen, ob die Beteiligte zu 1) in der Verfugungsmacht beschrankte oder befreite Vorerbin ist. Selbst wenn sie als befreite Vorerbin gemaß §§ 2136, 2113 Abs. 1 BGB zu entgeltlichen Verfugungen uber Nachlassgegenstande berechtigt ware, gilt dies nicht fur eine unentgeltliche Ubertragung, wie sie in dem in Rede stehenden Ubertragungsvertrag erfolgt ist (§ 2113 Abs. 2, Abs. 1 BGB). Diese ist im Falle des Eintritts des Nacherbfalles den Nacherben gegenuber unwirksam. Die im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgte unentgeltliche Ubertragung auf den Beteiligen zu 1) fuhrt daher nicht dazu, dass das Grundstuck aus dem Nachlass ausgeschieden ist.
Etwas anderes folgt auch nicht aus den Bestimmungen in dem notariellen Testament vom 24. Oktober 1983 (UR.-Nr. .../1983 des Notars S). Der Umstand, dass der Erblasser der Beteiligten zu 1) als Vorerbin darin ausdrucklich die Befugnis eingeraumt hat, zu Lebzeiten das Nachlassvermogen unentgeltlich auf einen der gemeinsamen Sohne oder auf beide gemeinsam zu ubertragen, fuhrt nicht zum Wegfall der Verfugungsbeschrankung aus § 2113 Abs. 2 BGB. Von dem Verbot unentgeltlicher Verfugungen kann ein Erblasser den Vorerben grundsatzlich nicht entbinden (vgl. Weidlich in Palandt, BGB, 78. Auflage, 2019, § 2136, Rn 4).
2. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die unentgeltliche Ubertragung des Grundstucks auf den Beteiligten zu 2) dazu gefuhrt hat, dass die nur auflosend bedingt angeordnete Nacherbeneinsetzung wegen Eintritts der Bedingung entfallen ware.
a) In der Rechtsprechung ist zwar seit langem anerkannt, dass der Erblasser einen Nacherben wirksam unter der Bedingung einsetzen kann, dass der Vorerbe nicht anderweitig von Todes wegen uber den Nachlass verfugt. Eine solche als auflosende Bedingung der Nacherbeneinsetzung einzuordnende Ermachtigung an den Vorerben kann auch sachlich dahin eingeschrankt werden, uber den Nachlass anderweitig nur in bestimmtem Rahmen (insbesondere nur zugunsten bestimmter Personen) zu verfugen, wie es hier geschehen ist. Der Wirksamkeit einer solchen Regelung steht nach der Rechtsprechung insbesondere die Vorschrift des § 2065 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Denn in einem solchen Fall verfugt der Vorerbe uber seinen eigenen Nachlass, indem er die auflosende Bedingung herbeifuhrt, und damit zum unbeschrankten Vollerben wird (RGZ 95, 278; BGHZ 2, 35 = NJW 1951, 959; Senat, Beschluss vom 24. August 1999, 15 W 218/99, FamRZ 2000, 446 ff; Beschluss vom 22. Mai 2014, 15 W 102/13, FamRZ 2015, 169 f; OLG Braunschweig Rpfleger 1991, 204 f; Weidlich in Palandt, aaO § 2065 Rn 6).
b) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung bestehen nach Auffassung des Senats auch keine grundsatzlichen Bedenken dagegen, den Bedingungseintritt nicht nur an eine Verfugung von Todes wegen, sondern – wie dies vorliegend in dem notariellen Testament vom 24. Oktober 1983 erfolgt ist – auch an eine Verfugung des Vorerben unter Lebenden binden zu konnen. Jedenfalls dann, wenn das Testament dem Vorerben ausdrucklich eine solche Ermachtigung erteilt und dieser mit seinem Rechtsgeschaft unter Lebenden zu erkennen gibt, davon Gebrauch machen zu wollen, muss der Eintritt der Bedingung als rechtlich wirksam erfolgt angesehen werden (vgl. Senat, Beschluss vom 24.8.1999,15 W 218/99, OLGR Hamm 200...