In materiell-rechtlicher Hinsicht ging es in diesem Entlassungsverfahren u.a. darum, dass sowohl das Nachlassgericht als auch der Senat nach dem Testament von einer Abwicklungsvollstreckung ausgingen und keine Anordnungen nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB erkennen konnten. Dabei wurde der Vortrag des entlassenen Testamentsvollstreckers (des Beschwerdeführers) mit wenigen Sätzen als unbegründet erachtet: auch weitere Dokumente, u.a. eine Vollmacht, hätten derartige Anordnungen (ebenfalls) nicht enthalten. Der Beschwerdeführer könnte hier mit dem (mutmaßlichen) Erblasserwillen argumentiert haben. Die methodische Frage zu § 2216 BGB spielt keine Rolle, das OLG nimmt wie das Nachlassgericht an, dass Anordnungen nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB nicht gegeben sind. Wie beim o.g. Beschluss des BayObLG vom 29.3.1976 kann man aber feststellen, dass die Auslegungsfrage: gibt es eine Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB oder nicht? nicht mit der Frage verknüpft wurde, ob § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB lex spezialis zu § 2216 Abs. 1 BGB ist oder eine diesem gegenüber nachrangige Ausnahmenorm. Aber wie der Beschluss des BayObLG vom 29.3.1976 stützt diese Entscheidung den methodischen Befund zumindest indirekt.
Tamoj/Weigand bemängeln in diesem Zusammenhang einen Widerspruch des OLG München zu seiner Entscheidung vom 15.11.2011 – 34 Wx 388/11. Dort hatte das OLG München festgestellt, dass Testamentsvollstreckung und Vollmacht zwar rechtlich unabhängig seien, aber im Wege der ergänzenden Auslegung der Inhalt der Testamentsvollstreckung auch aus dem Inhalt der Vollmacht (und umgekehrt) ggf. erschlossen werden könne: "Notwendig ist vielmehr eine umfassende Auslegung der beiden Urkunden." Tamoj/Weigand verstehen die Entscheidung vom 9.7.2020 dahingehend, dass das OLG München die Vollmacht vom Testament rechtlich als "verdrängt" angesehen habe. Von einer "Verdrängung" im Rechtssinne und einer Abkehr des OLG von seinem Beschluss vom 15.11.2011 wird man indes nicht auszugehen brauchen. Die Entscheidungspassage, die die Vollmacht betrifft, ist zugegebenermaßen kurz. Doch wird man dem Senat nicht unterstellen können, seine Rechtsauffassung geändert oder relativiert zu haben. Womöglich ist die Passage deshalb so kurz, weil für den Senat die Ausgangsentscheidung des Nachlassgerichts und die Aktenlage zu den Vollmachten eindeutig war und es vor allem darum ging, die Kehrtwende bei der Beschwerdeberechtigung ausführlich zu begründen. Beiden Entscheidungen kann man aber entnehmen, dass die ergänzende, wechselseitige Auslegung von Testamentsvollstreckung und Vollmacht stets stark einzelfallbezogen und -abhängig bleiben wird.