Leitsatz
1. Hat die Ehefrau die Erbschaft nach ihrem verstorbenen Ehemann ausgeschlagen, handelt es sich bei dem von ihr gegen dessen Nachlass geltend gemachten Anspruch auf Zugewinnausgleich gemäß § 1371 Abs. 2 BGB (sog. güterrechtliche Lösung) um eine Erblasserschuld i.S.d. § 1967 Abs. 2 BGB.
2. Wird ein gegen die Erben bzw. Erbeserben des Erblassers gerichteter Anspruch auf Zugewinnausgleich gemäß § 1371 Abs. 2 BGB gegen mehrere, gesamtschuldnerisch haftende Miterben gerichtlich geltend gemacht, ist der erweiterte Gerichtsstand der Erbschaft gemäß § 28 ZPO begründet, der eine gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beantragte Gerichtsstandbestimmung ausschließt.
OLG Celle, Beschl. v. 22.3. 2021 – 17 AR 3/21
1 Tatbestand
I.
Die Antragstellerin war die Ehefrau des am 10.8.2017 verstorbenen N. Die Ehegatten heirateten am 25.9.1998 und lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Ein Testament existierte nicht. Am 19.9.2017 schlug die Antragstellerin die Erbschaft nach ihrem verstorbenen Ehemann aus. Erbin wurde zunächst die Mutter des Ehemannes. Diese verstarb am 19.8.2017 und wurde von ihrem Enkel L. N. (dem Sohn der Antragstellerin und ihres verstorbenen Ehemannes) sowie dessen drei Geschwistern – den Antragsgegnern zu 1. – 3. – beerbt.
Mit Antragsschrift vom 21.12.2020, beim Amtsgericht – Familiengericht – W. am selben Tage eingegangen, macht die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren einen Anspruch auf Zugewinnausgleich gemäß § 1371 Abs. 2 BGB (nach der sog. güterrechtlichen Lösung) im Rahmen eines Stufenantrags gegen die drei Antragsgegner geltend.
Mit Verfügung vom 7.1.2021 hat das Amtsgericht das schriftliche Vorverfahren angeordnet und die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass bezüglich der Antragsgegner zu 1. und 3. die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Walsrode nicht gegeben sein dürfte.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 15.1.2021 haben die Antragsgegner die Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin beantragt.
Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 2.3.2021 hat die Antragstellerin beim Oberlandesgericht Celle einen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gestellt und beantragt, das Amtsgericht – Familiengericht – W. als zuständiges Gericht für das vorliegende Verfahren zu bestimmen. Sie macht geltend, dass die drei Antragsgegner Mitglieder der ungeteilten Erbengemeinschaft nach der am 19.8.2017 verstorbenen Mutter des Ehemanns der Antragstellerin seien – was unstreitig ist – und daher als gesamtschuldnerisch haftende Miterben in Anspruch genommen würden. Insofern handele es sich um Streitgenossen gemäß §§ 59, 60 ZPO. Da die Antragstellerin und ihr verstorbener Ehemann ihren Wohnsitz in A. gehabt hätten und dieser darüber hinaus auch alleiniger Kommanditist der im Handelsregister des Amtsgerichts W. eingetragenen L. N. I. – und V. mbH & CoKG sowie Gesellschafter-Geschäftsführer der G. K. GmbH mit Sitz … in B. an der Aller (gelegen im Amtsgerichtsbezirk W.) gewesen sei, wo auch der Antragsgegner zu 2. gemeldet sei, bestehe eine enge örtliche Verbindung des Nachlasses zum Bezirk des Amtsgerichts Walsrode, sodass dieses als zuständiges Gericht zu bestimmen sei.
Die Antragsgegner beantragen, den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen. Sie machen geltend, dass die Antragsgegner zu 1. und 3. im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm wohnhaft seien und die Erblasserin, von der die Antragsgegner geerbt haben, in A. (Amtsgerichtsbezirk L.) verstorben sei.
2 Gründe
II.
Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts war zurückzuweisen.
1. Gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 36 Abs. 2 ZPO wird in Fällen, in denen das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof ist, das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört. Daher ist vorliegend das Oberlandesgericht Celle zur Entscheidung berufen, denn das mit der Sache erstbefasste Amtsgericht W. liegt in dessen Bezirk.
2. Eine Zuständigkeitsbestimmung durch den Senat gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO – und nur dieser kommt von den Tatbeständen des § 36 Abs. 1 ZPO überhaupt in Betracht – scheidet hier aus. Danach erfolgt eine Bestimmung des Gerichtsstands, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil für das Verfahren ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet war, die Antragstellerin aber ihr Wahlrecht gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 35 ZPO gegenüber dem Antragsgegner zu 2. bindend dahingehend ausgeübt hat, dass sie das Amtsgericht Walsrode gewählt hat (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 36 Rn 23 m.w.N.).
Im Hinblick auf den Streitgegenstand ist das Verfahren als Güterrechtssache im Sinne von § 261 Abs. 1 FamFG anzusehen. Güterrechtssach...