Das OLG Karlsruhe hatte in vorliegenden Fall darüber zu entscheiden, ob die Pflichtteilsstrafklausel in einem gemeinschaftlichen Testament lediglich durch den enterbten Abkömmling oder auch durch den Träger der Sozialhilfe (nach erfolgter Überleitung) ausgelöst werden kann.
Das AG Heidelberg (W-72 VI 2598/18) war auf der Grundlage einer individuellen Auslegung der letztwilligen Verfügung der Erblasser zu dem Ergebnis gelangt, dass das Pflichtteilsverlangen des Sozialamtes (SGB XII) nicht ausreichend sei, um die bedingte Erbeinsetzung des Bedürftigen auf den Schlusserbfall entfallen zu lassen. Maßgeblich sei das Bestreben der Erblasser ihre Abkömmlinge im Testament gleich zu behandeln, was jedoch nicht erreicht werden könne, wenn der Sozialhilfeträger die Pflichtteilsstrafklausel auslösen könne. Die Gleichberechtigung sei gestört, wenn derjenige Abkömmling bessergestellt werde, der nicht im Leistungsbezug nach dem SGB XII stehe. Dem ist das OLG Karlsruhe zu Recht nicht gefolgt. Der Senat hat überzeugend festgestellt, dass die auflösende Bedingung im gemeinschaftlichen Testament durch das Pflichtteilsverlangen des Trägers der Sozialhilfe (nach erfolgter ermessenfehlerfreier Überleitung des Anspruchs) ausgelöst worden ist.
Bedingte Schlusserbeneinsetzung
Das streitgegenständliche Testament sah ein Strafklausel vor, wonach derjenige, der "beim Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt", diesen auch beim Tod des Längstlebenden erhalten solle. Diese Pflichtteilsstrafklausel führt zu einer bedingten Schlusserbeneinsetzung der Abkömmlinge im Schlusserbfall. Die Erblasser hatten die Erbeinsetzung auf den Schlusserbfall von der auflösenden Bedingung abhängig gemacht, dass die Abkömmlinge ihren Pflichtteil nach dem Erstversterbenden nicht geltend machen (BGH ZEV 2006, 501, 502; Palandt/Weidlich, BGB, § 2269 Rn 13.). In subjektiver Hinsicht setzt dieses Klausel die "bewusste Geltendmachung des Pflichtteils in Kenntnis der Klausel" voraus (OLG Hamm, ZEV 2013, 397; Tanck, Zerb 2018, 8.).
SGB XII
Der Sozialhilfeträger (SGB XII) ist verpflichtet Leistungen zu erbringen, wenn Hilfebedürftigkeit besteht und dem Bedürftigen keine bereiten Mittel zur Abwendung der Bedürftigkeit zur Verfügung stehen. Der dem SGB XII zugrunde liegende Nachranggrundsatz ist nachträglich mit Hilfe des § 93 SGB XII wiederherzustellen, wenn dem Bedürftigen ein Anspruch gegen einen Dritten, der nicht Leistungsträger ist, zusteht. Dies geschieht, indem der Träger der Sozialhilfe sich entsprechende Ansprüche gegen Dritte gemäß § 93 SGB XII überleitet (LSG Nordrhein-Westphalen, BeckRS 2008, 56332.). Erfasst werden neben dem Leistungsanspruch auch die Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung sowie Nebenansprüche (BGH, NJW 1995, 2790.). Für die Rechtmäßigkeit der Überleitung ist es unerheblich, ob der Anspruch gegen den Dritten auch tatsächlich besteht. Im Einzelfall reicht die Vermutung aus, dass ein solcher Anspruch gegeben ist. Eine Anspruchsüberleitung setzt voraus, dass Sozialhilfeleistungen tatsächlich und endgültig gewährt worden sind. Eine Überleitung ist ausgeschlossen, wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich nicht besteht, sog. Negativevidenz (BVerwGE 34, 219.).
Die Überleitung nach § 93 SGB XII bewirkt, dass der Anspruch der leistungsberechtigten Person bis zur Höhe der Aufwendungen des Sozialleistungsträgers auf diesen übergeben. Für eine Überleitungsanzeige muss damit die leistungsberechtigte Person selbst Anspruchsinhaber sein. Der überzuleitende Anspruch muss für die Zeit bestehen, für die Hilfe erbracht wird bzw. wurde. Bei der Überleitung von Ansprüchen gemäß § 93 SGB XII handelt es sich um eine "Kann-Bestimmung". Der Träger der Sozialhilfe hat somit im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens eine Interessensabwägung vorzunehmen. Dieses gilt nicht nur gegenüber dem Leistungsberechtigten, sondern auch gegenüber den Drittschuldnern. Bei der Ausübung seines Ermessens darf das Sozialamt im Regelfall davon ausgehen, dass die Überleitung den Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe verwirklicht und daher aus fiskalischen Interessen geboten ist, sog. intendierten Ermessen (LSG NRW BeckRS 2009, 55470; BayLSG BeckRS 2009, 51384; 2011, 70078; BeckOK SozR/Weber, 59. Ed. 1.12.2020, SGB XII § 93 Rn 40).
Eintritt der auflösenden Bedingung
Auf die Überleitung nach § 93 SGB XII finden die Vorschriften der §§ 412, 399 ff. BGB entsprechende Anwendung (Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/von Koppenfels-Spies, 6. Aufl. 2019, SGB XII § 93 Rn 7). Die Wirkung der Überleitung ist der Wechsel in der Gläubigerstellung, wodurch der Pflichtteilsberechtigte seine Gläubigerstellung verliert und der Träger der Sozialhilfe die inhaltlich identische Forderung mit allen Nebenrechten erhält (MüKoBGB/Roth/Kieninger, 8. Aufl. 2019, BGB § 398 Rn 92). Die übergeleitete Forderung des Pflichtteilsberechtigten macht der Sozialhilfeträger geltend und löst damit die Pflichtteilsstrafklausel aus.
Soweit der BGH entsprechende Strafklauseln in der Vergangenheit ergänzend (§§ 133, 157...