I.
Frau M., geboren am 22.2.1940 in Düsseldorf (im Folgenden: Erblasserin), ist am 14.10.2021 verstorben. Am 6.1.2022 wurde der Beteiligten zu 1) vom AG Heinsberg aufgrund gesetzlicher Erbfolge antragsgemäß ein Erbschein erteilt, der diese als Alleinerbin der Erblasserin ausweist.
Unter dem 30.11.2021 wurde vom AG Siegburg (Az.: 49 IV 218/21) ein Einzeltestament der Erblasserin vom 17.9.2003 (Ur.-Nr.: … des Notars …) eröffnet, in welchem der Beteiligte zu 2) als alleiniger Erbe bestimmt ist.
Daraufhin hat das AG Heinsberg den Erbschein mit Beschl. v. 6.1.2022 eingezogen. Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1) unter dem 5.5.2022 Beschwerde eingelegt. Den erteilten Erbschein hat sie inzwischen an das AG Heinsberg zurückgegeben.
II.
Die gegen den Einziehungsbeschluss gerichtete, nach § 58 FamFG statthafte und gem. §§ 63 ff. FamFG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat in der Sache vorläufig Erfolg, weil der angefochtene Beschluss hier von der funktionell unzuständigen Rechtspflegerin erlassen worden ist.
Grundsätzlich ist die Entscheidung über die Einziehung von Erbscheinen gem. § 3 Abs. 2c) RpflG, § 342 Abs. 1 Nr. 6 FamFG dem Rechtspfleger übertragen. Etwas anderes gilt gem. § 16 Abs. 1 Nr. 7 RPflG aber dann, wenn der Erbschein wegen einer Verfügung von Todes wegen einzuziehen ist. Dieser Fall liegt hier vor.
Ein erteilter Erbschein ist gem. § 2631 BGB einzuziehen, wenn er unrichtig ist. Hinsichtlich des vom AG Heinsberg erteilten Erbscheins vom 6.1.2022 ist zu entscheiden, ob er aufgrund der zwischenzeitlich eröffneten letztwilligen Verfügung von Todes wegen, nämlich des Testaments der Erblasserin vom 17.9.2003, unrichtig ist. Es geht also um eine Einziehung eines Erbscheins aufgrund einer Verfügung von Todes wegen i.S.v. § 16 Abs. 1 Nr. 7 RPflG.
Allerdings ist der in § 16 Abs. 1 Nr. 7 RPflG geregelte Richtervorbehalt durch § 1 Abs. 1 Verordnung zur Aufhebung von Richtervorbehalten und zur Übertragung von Aufgaben des Rechtspflegerdienstes auf die Urkundsbeamtinnen und Urkundsbeamten der Geschäftsstelle NRW vom 25.11.2021 (RichtVorAufhebV NW) i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 5 RPflG aufgehoben worden, sodass nunmehr grundsätzlich der Rechtspfleger für die Einziehung von Erbscheinen auch dann zuständig ist, wenn diese aufgrund einer Verfügung von Todes wegen erfolgt. Der somit grundsätzlich zuständige Rechtspfleger hat nach § 1 Abs. 1 S. 2 RichtVorAufhebV NW i.V.m. § 19 Abs. 2 RPflG die Sache aber wiederum dem Richter vorzulegen, soweit gegen den Erlass der beantragten Entscheidung Einwände erhoben werden. Die seit dem 1.1.2022 geltende Norm ist hier’anwendbar, weil das Erbscheineinziehungsverfahren vor dem 31.12.2021 noch nicht anhängig war (vgl. § 1 Abs. 2 RichtVorAufhebV NW).
Danach bestand hier eine Pflicht zur Vorlage an den Richter. Dem steht nicht entgegen, dass die Beteiligte zu 1) erstmals im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 5.8.2022 Einwände gegen die Einziehung des Erbscheins vom 6.1.2022 erhoben hat. Denn sie ist vor Erlass des Einziehungsbeschlusses durch das AG Heinsberg hinsichtlich der beabsichtigten Einziehung des Erbscheins vom 6.1.2022 nicht angehört worden. Das Nachlassgericht hat den Beteiligten vor der Einziehung eines Erbscheins das rechtliche Gehör zu gewähren (Art. 103 Abs. 1 GG, § 34 FamFG) (vgl. MüKo-BGB/Grziwotz, 9. Aufl. 2022, BGB, § 2361 Rn 28; Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl., zu § 2361 Rn 9). Insbesondere die in dem einzuziehenden Erbschein ausgewiesene Erbin ist gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG Beteiligte in diesem Sinne. Im Hinblick auf die gegen den Einziehungsbeschluss vom 21.4.2022 seitens der Beteiligten zu 1) eingelegte Beschwerde und die Ausführungen in der Beschwerdebegründung ist davon auszugehen, dass die Beteiligte zu 1) bei ordnungsgemäßer Anhörung vor Erlass des Einziehungsbeschlusses schon in diesem Verfahrensstadium Einwände gegen die beabsichtigte Entscheidung vorgebracht hätte, sodass die Rechtspflegerin die Sache nach dem oben Ausgeführten dem zuständigen Richter zur Bearbeitung hätte vorlegen müssen. Der Rechtspfleger kann sich dieser Vorlagepflicht nicht dadurch entziehen, dass er an dem Verfahren Beteiligte verfahrenswidrig nicht anhört. Dessen ungeachtet hätte die Rechtspflegerin aber jedenfalls im Hinblick auf die im Beschwerdeverfahren von der Beteiligten zu 1) erhobenen Einwände den Einziehungsbeschluss im Abhilfeverfahren aufheben und die Sache sodann dem Nachlassrichter zur Bearbeitung vorlegen müssen (vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 21.3.2019 – 3 W 30/19, juris Rn 9).
Der Vorlagepflicht nach § 1 Abs. 1 S. 2 RichtVorAufhebV NW steht auch nicht entgegen, dass es in der Norm heißt, dass die Vorlage zu erfolgen hat, "soweit gegen den Erlass der beantragten Entscheidung Einwände vorgebracht werden", es sich bei der Einziehung eines unrichtigen Erbscheins aber im Regelfall (die Ausnahmen von diesem Grundsatz liegen hier nicht vor) um ein gem. § 2361 BGB von Amts wegen durchzuführendes Verfahren handelt, bei dem...