Ein weiterer Sonderfall, der bei Mittestamentsvollstreckern auftreten kann, ist, dass zwar formal mehrere Testamentsvollstrecker mit demselben Geschäftsbereich ernannt sind, allerdings einem Vollstrecker nur eine Aufsichtsfunktion zukommen soll. In diesem Fall haftet der die Aufsicht führende Testamentsvollstrecker zwar nach außen ebenfalls voll als Gesamtschuldner nach § 2219 Abs. 2 BGB, im Innenverhältnis ist jedoch von einer Haftungsprivilegierung auszugehen.[17] Die Herleitung einer solchen Privilegierung bedarf jedoch seit kurzem einer näheren Betrachtung.

Bisher war in der Literatur anerkannt, dass auf den nur zur Aufsicht verpflichteten Testamentsvollstrecker die Regelung des § 1833 Abs. 2 S. 2 BGB (a.F.) analog angewandt werden kann.[18] Die aus dem Vormundschaftsrecht stammende Norm traf die Anordnung, dass wenn neben einem Vormund für den von diesem verursachten Schaden ein Gegenvormund oder Mitvormund nur wegen Verletzung seiner Aufsichtspflicht verantwortlich ist, in ihrem Verhältnis zueinander der handelnde Vormund allein verpflichtet sein soll. Im Zuge der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts ist die Regelung jedoch zum 1.1.2023 ersatzlos gestrichen worden. Der an die Stelle des § 1833 Abs. 2 BGB (a.F.) getretene § 1826 Abs. 2 BGB enthält keine Haftungsprivilegierung mehr, sondern nur noch die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung.[19]

Für die Testamentsvollstreckung bedeutet dies, dass nun nicht mehr auf eine Analogie des § 1833 Abs. 2 S. 2 BGB (a.F.) zurückgegriffen werden kann. Allerdings lassen die Gesetzesmaterialien zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts den Schluss zu, dass der Gesetzgeber nicht die Wertung des alten § 1833 Abs. 2 S. 2 BGB nunmehr missbilligt und deswegen abschaffte. Vielmehr heißt es in der Gesetzesbegründung, dass die Norm überflüssig geworden sei, weil im Betreuungsrecht der Gegenbetreuer abgeschafft wurde und einem Mitbetreuer keine Aufsichtspflicht zukommt. Daher bestand kein Regelungsbedarf mehr.[20] In der Konsequenz gibt es für die Testamentsvollstreckung im Grunde keinen Anlass, die Haftungsprivilegierung des nur aufsichtsführenden Testamentsvollstreckers fortan anders zu beurteilen als vor dem 1.1.2023. Das Problem ist nun jedoch methodologischer Natur, erscheint doch die analoge Anwendung einer nicht mehr existierenden Norm wenig überzeugend.

Ein solcher methodischer Kunstgriff ist jedoch auch gar nicht notwendig, da an anderer Stelle im BGB eine ähnliche Wertung vorhanden ist: nämlich in § 840 Abs. 2 BGB. Die Norm aus dem Deliktsrecht regelt, dass, wenn ein Aufsichtspflichtiger aus § 832 BGB neben einem anderen deliktisch haftet, der andere im Innenverhältnis zum Aufsichtspflichtigen allein verantwortlich sein soll. Dies entspricht dem Regelungsgehalt bzw. Rechtsgedanken des § 1833 Abs. 2 S. 2 BGB (a.F.). Mit denselben Argumenten, mit denen eine Analogie des § 1833 Abs. 2 S. 2 BGB (a.F.) zu begründen war,[21] kann damit künftig § 840 Abs. 2 BGB analog angewandt werden. Jedenfalls kann eine Haftungsprivilegierung über eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 840 Abs. 2 BGB weiterhin erreicht werden.

[17] BeckOK-BGB/Lange, 68. Ed. (1.11.2023), § 2219 Rn 5a; Staudinger/Dutta, BGB, 2021, § 2219 Rn 18; BeckOGK/Tolksdorf, 1.5.2023, BGB, § 2219 Rn 53; MüKo-BGB/Zimmermann, 9. Aufl. 2022, § 2219 Rn 5.
[18] Soergel/Becker, BGB, 14. Aufl. 2021, § 2219 Rn 19; Staudinger/Dutta, BGB, 2021, § 2219 Rn 20; Molitoris, Die Verwaltung des Nachlasses durch mehrere Testamentsvollstrecker, 2005, S. 146 ff.; MüKo-BGB/Zimmermann, 9. Aufl. 2022, § 2219 Rn 5; ders., ZEV 2004, 234.
[19] Siehe BeckOK-BGB/Müller-Engels, 1.11.2023, § 1826 Rn 18; MüKo-BGB/Schneider, 9. Aufl. 2024, § 1826 Rn 9.
[20] BT-Drucks 19/24445, 260.
[21] Siehe dazu ausführlich Molitoris, Die Verwaltung des Nachlasses durch mehrere Testamentsvollstrecker, 2005, S. 146 ff.

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