Die Klage ist begründet. Die Kläger können von den Beklagten gem. den §§ 667, 675 Abs. 1 BGB Auszahlung der in den Saldo eingestellten Beträge und gemäß den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB die beantragten Zinsen ab Rechtshängigkeit verlangen. Die Beklagten waren nicht berechtigt, die Girokonten wegen der Barabhebungen zu belasten. Ihnen stand weder ein Aufwendungsersatzanspruch gegen die Kläger aus den §§ 670, 675 BGB noch ein Schadensersatzanspruch gegen den Erblasser, für den die Kläger als Erben einzustehen haben – aus § 280 Abs. 1 BGB – zu. Ein vertraglicher Aufwendungsersatz aus den §§ 670, 675 BGB ist begründet, wenn die Abhebungen von einer Person vorgenommen wurden, der der Erblasser die PIN mitgeteilt hatte und die er über den Tod hinaus für Kontoabhebungen bevollmächtigt hatte. Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Erblasser dem Dritten pflichtwidrig Zugriff auf EC-Karte und PIN ermöglicht hat. Es lässt sich hier nicht feststellen, dass einer der beiden Sachverhalte gegeben ist.

1. Eine Pflichtverletzung des Erblassers liegt nicht darin, dass er die Bankkarten – unstreitig – auf die Philippinen mitgenommen hat. Ebenso wenig ist es pflichtwidrig, wenn der Erblasser auch die Geheimzahl mit sich geführt hat. Dabei kann zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass der Erblasser die PIN – wenn er sie dem Dritten nicht freiwillig mitgeteilt hat – irgendwo notiert und bei seiner Habe verwahrt hatte. Das bloße Aufbewahren der PIN ist nicht pflichtwidrig, wenn es sorgfältig geschieht. Da Geheimzahlen in verschiedenen Lebensbereichen üblich sind und es dem durchschnittlichen Bankkunden kaum zumutbar ist, sich eine Vielzahl solcher Zahlen zu merken, hat er ein berechtigtes Interesse daran, die Zahlen zur Gedächtnisstütze notieren zu dürfen.

Der Erblasser war auch berechtigt, neben den Karten auch die Geheimzahlen ins Ausland mitzunehmen. Es lässt sich nicht feststellen, dass die örtlichen Verhältnisse so unsicher waren, dass die Mitnahme für jeden verständigen Bankkunden von vornherein unvertretbar scheinen musste. (...)

Allein die Tatsache, dass der Erblasser die Karten nicht genutzt hatte, besagt nichts darüber, dass er das von vornherein nicht vorhatte. Auf eine konkrete Nutzungsabsicht kann es auch nicht ankommen. Denn EC-Karten und Kreditkarten zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie in Fällen eines unvorhergesehenen Geldbedarfs zur Verfügung stehen. Erst recht war der Erblasser zur Mitnahme berechtigt, wenn er – was nicht bekannt ist – dauerhaft auf den Philippinen gelebt haben sollte.

2. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der Erblasser dem Dritten freiwillig oder durch unsorgfältige Verwahrung Zugriff auf die Karten bzw. Geheimnummern ermöglicht hat oder dass er diese gemeinsam verwahrt hat (...). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (BGH NJW 2004, 3623, 3624) kommt bei Abhebungen an Geldautomaten unter Verwendung der richtigen Geheimzahl ein Anscheinsbeweis zulasten des Bankkunden in Betracht. Allerdings gilt das nicht stets bei einer Abhebung durch einen Dritten unter Verwendung der Geheimzahl. Der BGH stellt vielmehr auf die Umstände ab, unter denen die Bankkarte abhanden gekommen ist und benutzt wurde. (...). So hat das LSG Nordrhein-Westfalen (NJOZ 2007, 547, 555 f einen Anscheinsbeweis für einen Sorgfaltsverstoß des – wie hier vor den Abhebungen verstorbenen Karteninhabers – verneint, weil es denkbar sei, dass Unbefugte nach dem Tode Zugang zu Karte und PIN gehabt hätten. Ähnlich liegt der Fall hier. Es sind hier unterschiedliche Geschehensabläufe denkbar, die nach der Lebenserfahrung gleich wahrscheinlich sind und von denen einige nicht auf einem pflichtteilswidrigen Verhalten des Erblassers beruhen. Insbesondere ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich Dritte nach dem Tod des Erblassers der Karte und der PIN trotz sorgfältiger Aufbewahrung bemächtigen konnten.

a) Es gibt keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, dass der Erblasser Geheimzahl und Bankkarten in einem vor dem Zugriff Dritter nicht genügend geschützten Ort aufbewahrt hat. Auch Habseligkeiten die er – pflichtgemäß – in verschlossenen Behältnissen oder Schränken aufbewahrt, konnten nach seinem Tod von Dritten in Besitz genommen werden. Die Zeit zwischen dem Tod des Erblassers (14.45 Uhr) und der ersten Geldabhebung (3.44 Uhr des Folgetags) war lange genug, um zum Beispiel Angehörigen des Krankenhauses oder Hotelangestellten das Durchsuchen von Räumen und Öffnen von Behältnissen zu ermöglichen. Das gilt auch dann, wenn die Zeitangabe von 3.44 Uhr sich auf die mitteleuropäische Zeit beziehen sollte, weil die Zeitverschiebung zu den Philippinen lediglich 6 Stunden beträgt.

b) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Erblasser die Geheimzahlen zusammen mit den Bankkarten aufbewahrt hatte. Allerdings spricht – insbesondere unter Berücksichtigung des zeitlichen Ablaufs – nach der Lebenserfahrung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Dieb Karten und PIN an nicht weit voneina...

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