Einführung
Eine aktuelle Entscheidung des OLG München hat es wieder einmal gezeigt: Die Frage, welche Auswirkungen ein abgeschlossenes Verfahren zur gerichtlichen Bestimmung eines Testamentsvollstreckers gem. § 2200 BGB (im Folgenden: Ernennungsverfahren) auf das Erbscheinserteilungsverfahren hat, ist nicht nur innerhalb des Instanzenzugs, sondern auch zwischen den Obergerichten nicht geklärt. Strittig ist der Umfang der Bindungswirkung, den ein abgeschlossenes Ernennungsverfahren hat, insbesondere, ob die Ernennungsentscheidung über die konkrete Person des Ernannten hinaus bindet. Die Auseinandersetzung der Gerichte mit der Frage erschöpft sich jedoch regelmäßig in der bloßen Feststellung eines bestimmten Umfangs der Bindungswirkung. Eine argumentative Untermauerung insbesondere der Ansicht, die eine weitergehende Bindungswirkung befürwortet, steht aus.
1 I.
Einleitung
Der vorliegende Beitrag setzt sich mit den verschiedenen Ansichten auseinander und gelangt zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung systematischer und teleologischer Erwägungen die Bindungswirkung nicht nur die Ernennung der konkreten Person des Testamentvollstreckers, sondern auch die Frage, ob überhaupt Testamentsvollstreckung angeordnet ist, umfassen muss. Dazu gibt der Beitrag zunächst einen kurzen Überblick über die Rechtsschutzziele und die Verfahrensabläufe und schildert die Situation, in der sich beide Verfahren im Prüfungsumfang überschneiden (II.). Sodann werden im Schwerpunkt des Beitrags mögliche Arten einer Bindungswirkung und deren Umfang diskutiert (III.). Aus Anlass aktueller Rechtsprechung werden anschließend die Bedeutung der Prozessökonomie in diesem Zusammenhang (IV.) sowie die Frage einer unzulässigen Verfahrensverzögerung durch das Nachlassgericht im Fall des Zuwartens auf die Entscheidung im Ernennungsverfahren (V.) erörtert. Beide Erwägungen hat das OLG München in seiner aktuellen Entscheidung anklingen lassen.
II. Ausgangslage
Das Ernennungsverfahren und das Erbscheinsverfahren verfolgen im Grundsatz verschiedene Rechtsschutzziele und sind in der gesetzlichen Ausformung im Bezug auf den Rechtsschutz unterschiedlich ausgestaltet (1.), es bestehen aber Überschneidungen im Prüfungsumfang des Nachlassgerichts (2.).
1. Im Grundsatz verschiedene Verfahren
Erbscheinsverfahren und Ernennungsverfahren unterscheiden sich sowohl hinsichtlich der Rechtsschutzziele als auch in ihrer verfahrensrechtlichen Ausgestaltung durch den Gesetzgeber.
a) Rechtsschutzziele
Das Verfahren zur gerichtlichen Ernennung eines Testamentsvollstreckers und das Erbscheinsverfahren sind im Ausgangspunkt voneinander unabhängig. Zuständig ist mit dem Nachlassgericht zwar dasselbe Gericht, vgl. §§ 2200, 2353 BGB. Die beiden Verfahren werden jedoch bei Gericht unter zwei verschiedenen Aktenzeichen geführt, die Entscheidungen des Nachlassgerichts fallen getrennt voneinander.
Mit dem Antrag auf Erteilung eines Erbscheins verfolgt ein potenzieller Erbe das Ziel, einen Nachweis über sein Erbrecht zu erhalten. Im Ernennungsverfahren hingegen kommt das Gericht dem Wunsch des Erblassers, einen Testamentsvollstrecker zu benennen, nach.
b) Verfahren
Das Erbscheinsverfahren wird nach Parteiinitiative durchgeführt, erforderlich ist ein Antrag, § 2353 BGB. Es darf nicht von Amts wegen durchgeführt werden. Für die Einleitung des Verfahrens zur gerichtlichen Ernennung eines Testamentsvollstreckers nach § 2200 BGB ist kein Antrag erforderlich, sondern das Ersuchen des Erblassers um gerichtliche Bestimmung eines Testamentsvollstreckers. Ob ein solches Ersuchen vorliegt, hat das Nachlassgericht durch Auslegung des Testaments von sich aus zu eruieren. Ein Antrag der Erben ist nicht erforderlich, aber auch nicht ausreichend, um ein solches Verfahren einzuleiten.
Beide Verfahren werden vom Nachlassgericht im FGG-Verfahren entschieden. Der Rechtsweg gegen die Entscheidungen ist jedoch verschieden: Im Erbscheinserteilungsverfahren steht den Beteiligten gem. § 19 Abs. 1, 11 Abs. 1 RPflG die Beschwerde zum Landgericht zu. Eine Befristung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Ebenso fristlos ist als Rechtsmittel gegen die Beschwerdeentscheidung die weitere Beschwerde – in Form der Rechtsbeschwerde – zum Oberlandesgericht gem. den §§ 27 Abs. 1 S. 1, 28 Abs. 1 FGG gegeben.
Im Verfahren nach § 2200 BGB verhält es sich anders. Hinsichtlich des Rechtsmittels ist danach zu unterscheiden, ob ein Testamentsvollstrecker ernannt wurde oder ob eine Ernennung abgelehnt wurde. In letzterem Fall bleibt es bei dem FGG-rechtlichen Normalfall der fristlosen Beschwerde. Wird jedoch ein Testamentsvollstrecker ernannt, so regelt § 81 Abs. 1 FGG, dass die sofortige Beschwerde statthaft ist. Dies bedeutet für denjenigen, der die Entscheidung überprüfen lassen möchte, dass er für die Einlegung der Beschwerde eine Frist von...