Mit der "Vermächtnislösung" der Ex-Ehefrau D die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass sie auch über die Scheidung hinaus begünstigt werden sollte, erweist sich als vorzugswürdig gegenüber der Lösung über eine ehebezogene Zuwendung, wonach die Erbin F die Beweislast dafür trägt, dass der Fortbestand der Ehe zwischen E und D bis zum Tod zur Geschäftsgrundlage der Zuwendung des Anspruchs auf die Versicherungssumme geworden ist.
aa) Typische Beweisnot des Erben
Erbin F weiß typischerweise nicht, welche Vereinbarung Erblasser E und Ex-Ehefrau D in Bezug auf den Anspruch auf die Versicherungssumme getroffen haben. Verlangt man – bei der Lösung über eine ehebezogene Zuwendung dogmatisch konsequent – von Erbin F nun aber den Beweis, dass der Fortbestand der Ehe bis zum Tod im Verhältnis zwischen E und D Geschäftsgrundlage geworden ist, so müsste Erbin F über das subjektive Element eines Rechtsgeschäfts Beweis führen, an dem sie selbst persönlich nicht beteiligt ist. Auch wenn Erbin F mit dem Tod des Erblassers E nach § 1922 Abs. 1 BGB rechtlich an dessen Stelle tritt, so führt doch der Tod regelmäßig faktisch zu einem Informationsverlust, da die Erbin F typischerweise über die – unter Umständen weit zurückliegenden – Erwartungen des Erblassers E nicht unterrichtet ist. Die Erbin F wird sich daher häufig nicht mit Erfolg auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen können.
bb) Beweissicherung durch Erwähnung in Scheidungsfolgenvereinbarung
Verlangt man hingegen auf Grundlage der "Vermächtnislösung" von der Ex-Ehefrau (Dritter) D, den Beweis, dass der Erblasser das Vermächtnis im Valutaverhältnis nach § 2077 Abs. 3 BGB auch über die Scheidung hinaus aufrechterhalten wollte, so erscheint diese Beweisführung der Ex-Ehefrau eher zumutbar: Ein Aufrechterhaltungswille des Erblassers könnte beispielsweise aus Beweissicherungsgründen in einer Scheidungsfolgenvereinbarung zwischen Erblasser E und D erwähnt werden. Sofern Ehefrau D bei der Scheidung nach § 114 Abs. 1 FamFG (bzw. § 78 Abs. 2 ZPO aF) anwaltlich vertreten ist, gehört es dann zu den Beratungspflichten ihres Rechtsanwalts, zwecks Vermeidung von Beweisschwierigkeiten auf die Erwähnung der Lebensversicherung in der Scheidungsfolgenvereinbarung zu drängen.
cc) Abhilfe durch Vermutung zugunsten des Erben?
Auch die Rechtsprechung scheint die typische Beweisnot des Erben bisweilen zu erahnen, die sich bei dogmatisch konsequenter Lösung über eine ehebezogene Zuwendung ergibt. Um dem Erben zu helfen, tendiert sie zu einer Vermutung zugunsten des Erben und ändert damit die Beweislastverteilung zu seinen Gunsten ab: Durch die Formulierung, dass das Scheitern der Ehe regelmäßig zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage im Valutaverhältnis führe, wird suggeriert, dass bei einer objektiv unentgeltlichen Zuwendung unter Ehegatten das Vorliegen einer ehebezogenen Zuwendung vermutet werde, dass also das Vorliegen einer Schenkung nach den §§ 516 ff BGB (ohne Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Scheidung) die vom Ex-Ehegatten zu beweisende Ausnahme sei. Eine Begründung für diese – von der eigenen Prämisse abweichende – Beweislastverteilung gibt die Rechtsprechung indes nicht.
Auf Grundlage der Vermächtnislösung ergibt sich die erstrebte und auch rechtspolitisch überzeugendere Beweislastverteilung hingegen bereits aus dem Gesetz selbst, und zwar aus dem Zusammenspiel von § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 2077 Abs. 3 BGB. Damit lässt sich mit der "Vermächtnislösung" ein wertungsmäßig überzeugendes Ergebnis mit erheblich geringerem Begründungsaufwand erreichen, als wenn man der Prämisse der Rechtsprechung folgt und das Valutaverhältnis als Rechtsgeschäft unter Lebenden einordnet.