Leitsatz
Verfügt der Erblasser neben einer Erbeinsetzung dritter Personen, dass der überlebende Ehepartner aus seinem Besitz "nehmen oder behalten könne, was auch immer er will", so handelt es sich nicht um eine Erbeinsetzung, sondern um ein Herausgabevermächtnis, angelehnt an den Voraus des Ehegatten gem. § 1932 BGB. Hierfür spricht insbesondere, dass der Wortlaut keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass der überlebende Ehepartner einen entscheidenden Anteil des Vermögens des Erblassers entnehmen können und damit Miterbe werden soll.
OLG Bamberg, Beschluss vom 6. Mai 2019 – 3 W 16/19
Sachverhalt
I. Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind die drei Enkeltochter, die Beteiligte zu 4 und Antragsgegnerin ist die vierte Ehefrau des Erblassers, die er am xx.xx.2014 geheiratet hatte. Mit notariellem Testament vom 28.5.2013 (Bl. 36 f dA) hatte der Erblasser die Beteiligten zu 1 bis 3 als Miterbinnen zu gleichen Teilen eingesetzt. Mit handschriftlicher Erklarung vom 30.4.2017 (Bl. 38 dA) hatte der Erblasser verfugt, "dass nach meinem Tode meine Ehefrau H. (= die Antragsgegnerin) aus meinem Besitz nehmen oder behalten kann, was immer sie auch will."
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 23.1.2019 fur festgestellt erachtet, dass die Beteiligten zu 1–3 jeweils Miterbinnen zu einem Drittel sind (Bl. 107 ff dA). Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 4, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat.
Aus den Gründen
II. Die zulassige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Zu Recht und auch mit zutreffender Begrundung hat das Amtsgericht die Anordnung des Erblassers vom 30.4.2017 nicht als Widerruf im Sinne des § 2258 BGB, sondern als testamentarisches Vermachtnis zugunsten der Antragsgegnerin eingeordnet. Dagegen wendet sich die Beschwerde vergebens.
Das Testament vom 30.4.2017 enthalt keine Erbeineinsetzung der Beteiligten zu 4. Dagegen spricht bereits der Wortlaut der Verfugung. Danach soll die Beteiligte zu 4 "aus dem Besitz nehmen oder behalten" konnen, was immer sie auch wolle. Selbst wenn man der Beschwerde folgend "Besitz" mit "Eigentum" gleichsetzen wurde, erschließt sich daraus kein fassbarer Anhaltspunkt dafur, dass die Ubertragung des gesamten Vermogens oder wenigstens eines substantiellen Teils des Vermogens gewollt gewesen sein konnte. Vielmehr sollte der Beteiligten zu 4 offenkundig nur die Berechtigung eingeraumt werden, einzelne Gegenstande oder auch eine funktionale Sachgesamtheit von Gegenstanden ihrer (freien) Wahl aus einer bestimmten bzw. im Wege der weiteren Auslegung noch naher zu konkretisierenden Besitz- bzw. Nutzungssphare zu "(ent-)nehmen oder (zu) behalten", sprich fur sich auszusondern.
Auch der sonstige Inhalt der Verfugung gibt nichts fur eine Erbeineinsetzung her. Eine solche ist dadurch gekennzeichnet, dass der Erbe in die Stellung des Erblassers in jeder Hinsicht einrucken soll. Wichtiges Indiz hierfur ist, wer nach dem Erblasserwillen den Nachlass zu regeln und hieruber zu verfugen sowie die Nachlassschulden – insbesondere auch die Beerdigungskosten – zu tilgen hat (BayObLG FamRZ 86, 835). Nach der Lebenserfahrung will der Erblasser namlich regelmaßig, dass auch die Erfullung von Nachlassverbindlichkeiten vom Erben ubernommen wird (vgl. BayObLG NJW-RR 03, 656, OLG Schleswig FamRZ 2016, 406). Im vorliegenden Fall soll die Beteiligte zu 4 jedoch "nur" aus "dem Besitz" dasjenige nehmen oder behalten konnen, "was immer sie auch wolle". Eine solche – gegenstandsbezogen zudem sehr vage umschriebene – Einraumung einer kombinierten Auswahl- und Aussonderungsbefugnis ist alles andere als die umfassende (insbesondere auch dingliche) Ubertragung einer Rechtsposition, wie sie fur die Regulierung aller Nachlassverbindlichkeiten unbedingt erforderlich ware.
Zu berucksichtigen ist weiter, dass der Erblasser bereits vor dem Testament vom 28.5.2013 zwei notarielle Testamente, namlich vom 4.3.1997 (Bl. 28 ff dA) und vom 11.6.2003 (Bl. 26 ff dA) errichtet hatte, in denen jeweils explizit fruhere Verfugungen von Todes wegen widerrufen wurden. Im Testament vom 30.4.2017 findet sich ein solcher Widerruf nicht. Der Senat verkennt nicht, dass es sich hierbei, anders als bei den genannten Verfugungen, um ein privatschriftliches Testament handelt. Die Moglichkeit, einen Widerruf klarstellend in ein Testament aufzunehmen, war dem Erblasser aber offenkundig bewusst. Er hat davon definitiv nicht Gebrauch gemacht.
Zutreffend weist das Amtsgericht darauf hin, dass der Erblasser den Aspekt der Altersversorgung der Beteiligten zu 4 jedenfalls in seiner spateren Verfugung vom 30.4.2017 nochmals ausdrucklich berucksichtigt hatte, weswegen eine Anhorung der zu diesem Aspekt angeboten Zeugen nicht geboten ist. Ob der Beteiligten zu 4 daruber hinaus eine Rente als Witwe des Erblassers zusteht oder nicht, kann demgegenuber dahingestellt bleiben.
Ebenso kann auf sich beruhen, ob das Amtsgericht gegen die Hinweispflicht verstoßen hat. Denn die Beschwerdebegrundung enthalt dazu kein neues Vorbringen, das zu einer anderen Beurteilung fuhren konnte.
III. Lediglich ...