Die Anwendung dieses Rechts war nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches und ist heutzutage unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nur mit erheblichen Einschränkungen möglich. Das BVerfG hat im Lichte des Art. 123 Abs. 1 GG nationalsozialistischen Rechtsnormen in bestimmten Bereichen die Gültigkeit als "Recht" abgesprochen, wenn sie fundamentalen Prinzipien der Gerechtigkeit so evident widersprechen, dass der Richter, der sie anwenden und ihre Rechtsfolgen anerkennen wollte, Unrecht statt Recht sprechen würde.
Ein Verstoß gegen diese genannten Kriterien führt dazu, dass nationalsozialistisches Recht von Anfang an als nichtig behandelt werden muss. Ferner könnten Vorschriften aus der NS-Zeit dann keine Geltung im grundgesetzlichen Geltungsbereich beanspruchen, wenn sie auf den nationalsozialistischen Staat speziell zugeschnitten waren. Dies trifft für Gesetze zu, welche die Staats- oder Verwaltungsorganisation regeln und sich auf den NS-Führer- und Einheitsstaat beziehen. Eine gerichtliche Prüfung der Geltung oder Vereinbarkeit dieses vor-konstitutionellen Rechts obliegt dem einzelnen Richter.
Angesichts dieser Rechtslage müsste bei jeder im jeweiligen Einzelfall applizierbaren Norm aus der NS-Zeit verifiziert werden, ob sie überhaupt und ggf. mit welchen Einschränkungen heute rechtlich noch als gültig und anwendbar zu behandeln ist. Eine solche Untersuchung ist nicht nur erforderlich, wenn es um die Frage geht, ob Normen, die zur Zeit des "Dritten Reiches" erlassen wurden, fortgelten und auf Sachverhalte, die nach 1945 entstanden sind, angewendet werden dürfen. Sie ist obendrein notwendig, wenn Sachverhalte, die sich vor dem 8.5.1945 ereignet haben, in ihrer Rechtswirkung heute zu beurteilen sind.
Diese Grenzen des Rechts zu ziehen und die Maßstäbe hierzu obliegt den Gerichten. Zwar ist festzuhalten, dass es sich um vor-konstitutionelles Recht handelt und infolgedessen jedem Gericht die Prüfungsbefugnis darüber zusteht, ob dieses Recht mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland kompatibel ist. Diese Geltungsdauer kann indessen grundsätzlich nur insoweit zum Zuge kommen, als die Fortgeltung des NS-Rechts über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes hinaus in Rede steht.
Ungeachtet dessen geht es bei unserer Betrachtung um die Frage der Perzeption innerhalb des Merkmals "Beeinträchtigung" bei dem auch im Dritten Reich geltenden § 1004 BGB. Es ist auf jeden Fall davon auszugehen, dass ALLE (Zivil- wie Kirchengemeinden und a fortiori private natürliche wie juristische Personen) als Eigentümer einen Luftschutz-Stollenbau sowie andere kriegsbedingte Maßnahmen nicht von vorneherein als "Beeinträchtigung" gesehen haben. Obendrein waren alle im "gleichgeschalteten" NS-Staat aufgrund des zeitgenössischen Rechts (§ 10 Reichsleistungsgesetz = RLG, §§ 1 Abs. 2, 2 LuftschutzG) zur Duldung der Inanspruchnahme von Grundstücken verpflichtet. Daher bedarf das Merkmal der Beeinträchtigung hier einer "teleologischen Reduktion", welche gleichfalls durch Einbeziehung der historischen Perzeption gestützt wird.
Diese Auslegung muss zumindest bis dorthin gelten, wo die Grenze zum legalen Unrecht beginnt, also etwa bei der übermäßigen Beeinträchtigung, die selbst nach NS-Recht nicht zu dulden gewesen wäre und ggf. die NS-Gerichte dies ebenfalls in dieser Form entschieden hätten. Darüber hinaus müssten überpositive Grundsätze dagegenstehen.
In von uns betrachteten Fällen resultiert die Anwendung des § 1004 BGB im Lichte der Perzeption des Jahres 1938 und unmittelbar danach unter Geltung des skizzierten NS-Rechtes, da erheblich ist, wie die Eigentümer aus ihrem Horizont heraus den Bau der Anlage qualifizierten.