Leitsatz
Zur Fortwirkung eines "gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzichts", mit dem sich Abkömmlinge gegenüber der Erblasserin hinsichtlich des an ihre weitere Schwester übertragenen elterlichen Hausanwesens gegen Zahlung eines anteiligen Ausgleichsbetrages für abgefunden erklärt haben, wenn das Anwesen später von der Erblasserin zum angenommenen Wert entgeltlich zurückerworben wurde.
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urt. v. 12.2.2020 – 5 U 59 /19
1 Gründe
I.
Die Parteien streiten um Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Tode der 2018 verstorbenen gemeinsamen Mutter (im Folgenden: Erblasserin). Diese hatte 2001 ein notarielles Testament errichtet, mit dem sie den Beklagten zu ihrem alleinigen Erben eingesetzt hatte; zugleich hatte sie alle bisherigen Verfügungen von Todes wegen widerrufen und ihrer vormals zur Alleinerbin eingesetzten Tochter K den Pflichtteil entzogen. Die Erblasserin war verwitwet und hinterließ neben den Parteien drei weitere Abkömmlinge (…). Auf der Grundlage von Auskünften des Beklagten bestand der Nachlass zum Zeitpunkt des Erbfalles aus einem im Grundbuch verzeichneten Hausanwesen, dessen Verkehrswert zum Stichtag gutachterlich mit 155.000 EUR ermittelt wurde und über dessen Berücksichtigung bei den Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen die Parteien streiten, sowie aus zwei Bankkonten mit Guthaben in Höhe von insgesamt 4.049,36 EUR. Als Passiva sind Beträge für ein restliches Hausdarlehen (723,74 EUR), Gutachterkosten (1.670,77 EUR) und Beerdigungskosten (6.211,57 EUR) in Abzug zu bringen. Die Erblasserin unterhielt außerdem zwei Lebensversicherungsverträge (…), deren Todesfallleistungen sich zum Zeitpunkt des Erbfalles auf 5.795,73 EUR und 1.078,57 EUR beliefen und die aufgrund eines entsprechenden Bezugsrechts jeweils unmittelbar an den Beklagten als Begünstigten ausbezahlt wurden. (…)
1992 ließen die Erblasserin, ihre Tochter K, der Beklagte sowie die weiteren Kindern A und H einen "gegenständlich beschränkten Erb- und Pflichtteilsverzicht" beurkunden. Unter Bezugnahme auf eine notarielle Urkunde vom selben Tage, in der die Erblasserin ihrer Tochter K das vorbezeichnete Hausanwesen übertragen und diese sich zugleich verpflichtet hatte, zum Ausgleich für die vorstehende Übertragung an ihre Geschwister A, H und den Beklagten jeweils einen Betrag von 20.000 DM herauszuzahlen, erklärten diese Folgendes:
"Für den Fall, dass wir von unserer Schwester die uns aus der vorgenannten Urkunde zustehenden Auszahlungsbeträge von jeweils 20.000 DM (…) erhalten haben, erklären wir uns hiermit hinsichtlich des an unsere Schwester im vorgenannten Vertrag übertragenen elterlichen Hausanwesens für abgefunden und verpflichten uns hiermit, diesbezüglich keinerlei weiteren Ansprüche mehr geltend zu machen, insbesondere soweit es sich um Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche handelt."
Im Zuge eines von der Tochter K gegen die Erblasserin geführten Rechtsstreites schlossen die Beteiligten 1997 einen Vergleich, in dem u.a. "die Rückübertragung des Hausanwesens … Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von 100.000 EUR" vereinbart wurde. Mit notarieller Urkunde schlossen die Parteien in Erfüllung dieses Vergleiches einen "Übertragungsvertrag", mit dem der vorbezeichnete Grundbesitz gegen Zahlung von 100.000 DM auf die Erblasserin übertragen wurde. Die von der Klägerin in Erfüllung des "gegenständlich beschränkten Erb- und Pflichtteilsverzichts" von 1992 an ihre drei Geschwister ausbezahlten Beträge in Höhe von jeweils 20.000 DM verblieben bei ihrem jeweiligen Empfänger.
Die Klägerin hat den Beklagten mit einer erhobenen Stufenklage (…) zuletzt auf Auszahlung des Pflichtteils in Höhe von 15.044,33 EUR sowie eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs in Höhe weiterer 687,43 EUR zzgl. Prozesszinsen in Anspruch genommen. Sie hat gemeint, der Wert des im Nachlass befindlichen Hausanwesens von 155.000 EUR müsse auch bei der Berechnung der Ansprüche berücksichtigt werden, weil sich der im Jahre 1992 erklärte Pflichtteilsverzicht lediglich auf die damals vereinbarte Schenkung des Hausanwesens an die Tochter K bezogen habe, während die Erblasserin das nunmehr im Nachlass vorhandene Anwesen erst im Jahre 1997 käuflich erworben und die Finanzierungsraten aus ihrem Vermögen erbracht habe. Weitere von dem Beklagten eingewandte Beerdigungskosten seien vom Nachlasswert nicht in Abzug zu bringen. Entsprechendes gelte für eine schon vor dem Erbfall von A regulierte Dachdeckerrechnung. Hinsichtlich der vom Beklagten aufgrund schenkweiser Zuwendung vereinnahmten Todesfallleistungen aus den beiden Lebensversicherungen bestehe ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 1/10 der an den Beklagten ausgezahlten Beträge.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten mit dem Hinweis, die Erblasserin habe das Hausanwesen nicht "zurückgekauft", sondern es sei lediglich eine Rückübertragung gegen Rückzahlung der von der Tochter für den Pflichtteilsverzicht an die Geschwister ausgezahlten Geldbeträge...