Leitsatz
1. Im Rahmen einer Nachlasspflegschaft gibt es auch für Aktienvermögen keine generelle Pflicht zur Umschichtung in eine mündelsichere Anlage. Der Nachlasspfleger hat vielmehr im Einzelfall unter Würdigung aller Vermögenspositionen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden, inwieweit im Hinblick auf die nach Kapitalanlagekriterien zu ermittelnden Risiken eine Fortführung des Aktieninvestments vertretbar erscheint (Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.2.2019 – I-3 Wx 8/19 und OLG Hamm, Beschl. v. 7.4.2017 – 15 W 136/17).
2. Auch die durch die Corona-Krise verursachten Verwerfungen auf dem Kapitalmarkt dürften keinen Anlass geben, ein Aktiendepot insgesamt aufzulösen. Inwieweit es geboten sein könnte, Teile des Depots zu verkaufen oder umzuschichten, dürfte nur – ggf. mit Hilfe fachkundiger Beratung – für jede Aktienposition gesondert entschieden werden können.
OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.4.2020 – 3 W 37/20
1 Gründe
I.
Das Amtsgericht Goslar hat mit Beschl. v. 21.5.2019 – 7 VI 299/19 – Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben des Erblassers angeordnet und den Beteiligten zu 1. zum Nachlasspfleger mit den Wirkungskreisen der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie der Ermittlung der Erben bestellt.
Mit Schreiben vom 2.7.2019 teilte der Nachlasspfleger mit, dass ein wesentlicher Teil des Nachlasses aus einem Depot bestehe. Die Werte dieses Depots unterlägen Kursschwankungen. In Bezug auf einen Depotwert sei in einem an den Erblasser adressierten Schreiben der Braunschweigischen Landessparkasse vom März 2019 der Verkauf angeraten worden. Es handele sich bei dem Depot nicht um eine mündelsichere Anlageform. Der Nachlasspfleger habe zu prüfen, ob eine Umwandlung in eine solche Anlageform zur Vermeidung von Anlagerisiken geboten sei. Aufgrund der Schwankungen des Depots bzw. der Depotwerte könne ein Anlagerisiko nicht verneint werden. Zur Sicherung des Depots sei deshalb der Verkauf des Depots angedacht. Die Erlöse sollten anschließend dem Sparkonto gutgeschrieben werden. Vor diesem Hintergrund beantragte er gemäß § 1812 BGB die nachlassgerichtliche Genehmigung zur Auflösung des Depots zugunsten des Sparkontos des Erblassers.
Das Nachlassgericht bestellte daraufhin mit Beschl. v. 8.7.2019 Rechtsanwalt K. als Verfahrenspfleger zur Vertretung der unbekannten Erben innerhalb des Genehmigungsverfahrens.
Mit Schreiben vom 16.7.2019 legte der Nachlassverwalter ein vorläufiges Nachlassverzeichnis zum Stichtag 6.2.2019 vor. Aus diesem ergibt sich, dass der Erblasser über Immobilien im Wert von ca. 443.000 EUR, Giro-, Spar- und Kapitalkontobestände in Höhe von ca. 197.000 EUR sowie Depotwerte in Höhe von ca. 1.040.000 EUR verfügte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Nachlassverzeichnisses Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 6.8.2019 nahm der Verfahrenspfleger zum Antrag des Nachlasspflegers wie folgt Stellung. Der Depotbestand habe sich nicht negativ entwickelt. Der Depotbestand habe sich am 31.12.2018 auf 1.039,429,13 EUR, am 4.6.2019 auf 1.179.484,68 EUR und am 30.6.2019 auf 1.204.177,10 EUR belaufen.
Das Nachlassgericht hat mit Beschl. v. 12.9.2019 entschieden, dass die Genehmigung zur Auflösung des Depots nicht erteilt wird und dies wie folgt begründet: Für den Nachlasspfleger bestehe keine grundsätzliche Verpflichtung, Vermögen, welches nicht mündelsicher sei, umzuwandeln. Die Entwicklung des Depots erscheine dem Nachlassgericht positiv, so dass die Genehmigung zur Auflösung nicht zu erteilen sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Nachlasspflegers vom 25.9.2019. Das gesamte Wesen der Nachlasspflegschaft sei darauf angelegt, den Nachlass zu sichern. Dies spiegele sich unter anderem darin wieder, dass Geldvermögen mündelsicher anzulegen sei. Aktien würden nicht der mündelsicheren Anlage unterfallen. Der Nachlasspfleger habe nach pflichtgemäßem Ermessen die Anlageart zu wählen, die für den Erhalt des Mündelvermögens die größte Sicherheit biete. Vorliegend handele es sich um 24 verschiedene Aktienwerte sowie einen Aktienfonds. Diese würden den Schwankungen der Märkte unterliegen. Die Gefahr einer Verschlechterung sei für die unbekannten Erben nicht hinnehmbar. Auf eine konkrete Verschlechterung komme es nicht an; es genüge die abstrakte Gefahr.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschl. v. 9.10.2019 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. (…)
II.
1. Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 63, 64 FamFG). Der Beschwerdeführer ist als bestellter Nachlasspfleger gegen den angegriffenen Beschluss nach § 59 FamFG auch beschwerdeberechtigt (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 7.4.2017 – 15 W 136/17, NLPrax 2019, 33, juris Rn 8).
2. Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Das Nachlassgericht hat die beantragte Genehmigung zu Recht versagt.
a) Die für eine Verfügung über Wertpapiere durch den Nachlasspfleger gemäß §§ 1812 Abs. 1, 1915 BGB erforderliche Genehmigung ...