Leitsatz
Amtsgericht Frankfurt am Main, Beschl. v. 11.5.2020 – 51 VI 4443/18 F
1 Tatbestand
I.
Die Beteiligten zu 1) und zu 2) begehren einen gemeinschaftlichen Erbschein nach der Erblasserin … , verstorben am 18.2.2018, der sie als Erben zu je ½ ausweist.
Die Beteiligten zu 39 und zu 4) begehren ebenfalls die Erteilung eines Erbscheins nach der Erblasserin, der sie als Erben zu je ½ ausweist.
Die Erblasserin, deren Ehemann bereits 2007bverstarb, hinterlässt drei letztwillige Verfügungen.
Mit gemeinschaftlichem Ehegattentestament aus dem Jahr 1967 zur Urkundennummer 720 der Urkundenrolle des Jahres 1967, Notar M. E., eröffnet durch das Amtsgericht – Nachlassgericht – Frankfurt am Main nach dem Tod des Ehemannes im Jahr 2007 sowie nach dem Tod der Erblasserin 2018 verfügten die Eheleute unter anderem wie folgt:
"Wir setzen uns gegenseitig zu Erben ein, so dass also der Längstlebende von uns der alleinige Erbe des Zuerstversterbenden sein soll. (…)"
Mit gemeinschaftlichem Ehegattentestament von 1997, eröffnet durch das Amtsgericht – Nachlassgericht – Frankfurt am Main nach dem Tod des Ehemannes 2007 sowie nach dem Tod der Erblasserin 2018 verfügten die Eheleute unter anderem wie folgt:
"Der letzte Alleinerbe Frau … oder Herr … soll zu Hause gepflegt werden. Entweder durch eine Pflegekraft die aus dem verfügbaren Geld gezahlt wird, oder dass die Pflege von den als Erben von uns jetzt eingesetzten Personen"
1) …
2) …
Übernommen wird. (…)“
Mit letztwilliger und hier lediglich als Kopie vorliegender Verfügung der Erblasserin aus dem Jahre 2010, eröffnet durch das Amtsgericht – Nachlassgericht – Frankfurt am Main 2018 verfügte die Erblasserin schließlich wie folgt:
"Ich … enterbe … Setze als Erben die Eheleute … und … ein."
Die Beteiligten zu 1) und zu 2) sind der Ansicht, dass die letztwillige Verfügung der Erblasserin von 2010 nicht mangels Auffindbarkeit des Originals ungültig sei. Es bestehe auch keine Vermutung dafür, dass diese von der Erblasserin vernichtet worden und daher als widerrufen anzusehen sei.
Die Beteiligten zu 1) und zu 2) beantragen, die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der die Beteiligten zu 1) und zu 2) als Erben der Erblasserin zu je ½ ausweist.
Die Beteiligten zu 3) und zu 4) beantragen, die Erteilung eines Erbschein, nach dem sie Erben zu je ½ geworden sind.
Die Beteiligten zu 1) und zu 2) beantragen, den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3) und zu 4) zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 3) und zu 4) sind der Ansicht, dass die Verfügungen der Eheleute … im Testament von 1967 sowie im Testament von 1997 sowohl hinsichtlich der gegenseitigen Erbeinsetzung als auch hinsichtlich der Einsetzung der Beteiligten zu 3) und zu 4) wechselbezüglich gewesen sei und in Folge dessen von der Erblasserin nicht mehr haben einseitig abgeändert werden können.
Die Erblasserin habe gegenüber dem Ehemann der Beteiligten zu 3) und gegenüber der Beteiligten zu 3) zudem mehrfach erklärt, dass diese und der Beteiligte zu 4) noch genug von ihr und ihrem vorverstorbenen Ehemann erbten.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin L.
2 Gründe
II.
Der Antrag der Beteiligten zu 1) und zu 2) vom xx.xx.2018 ist zulässig und begründet. Die Beteiligte zu 1) und zu 2) sind aufgrund der letztwilligen Verfügung der Erblasserin aus dem Jahr 2010 Erben zu je ½ geworden.
Dem steht zunächst nicht entgegen, dass die letztwillige Verfügung der Erblasserin von 2010 hier lediglich als Kopie vorliegt.
So statuiert die Unauffindbarkeit eines Testaments zunächst keine Vermutung dahingehend, dass es von dem Erblasser vernichtet worden und deshalb gem. § 2255 BGB als widerrufen anzusehen ist (Weidlich/Palandt: 77. Aufl. 2018, § 2255 Rn 9). Die Formgültigkeit sowie der Inhalt des Testaments können vielmehr mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden, wobei an den entsprechenden Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (OLG Köln, Beschluss v. 2.12.2016 – 2 Wx 550/16). Die Feststellungslast trägt hierbei derjenige, der sich auf die formgültige Errichtung des Testaments beruft (OLG Schleswig, Beschluss v. 12.8.2013 – 3 Wx 27/13).
Die Beteiligten zu 1) und zu 2) haben insoweit eine Kopie des Testaments von 2010 zur Akte gereicht, nach der die Anforderungen nach § 2247 BGB erfüllt sind. Darüber hinaus ist das Gericht aufgrund der glaubhaften Angaben der glaubwürdigen Zeugin L. im Rahmen der Beweisaufnahme am 3.5.2019 mit dem nötigen Grad an Gewissheit entsprechend § 286 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 30 FamFG davon überzeugt, dass die Erblasserin das streitgegenständliche Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben hat. Die Zeugin L hat in diesem Zusammenhang angegeben, dass die Erblasserin das streitgegenständliche Testament bei ihr zu Hause auf Kohlepapier geschrieben habe. Das Gericht ist von den Angaben der Zeugin L. überzeugt. Diese schilderte nachvollziehbar und konsistent ihrer Erinnerungen, wobei sie auch vereinzelte Erinnerungslücken einräumte. Die Zeugin verfügte auch über die nötige Wahrnehmungsfähigkeit, da sie bei der Errichtung des streitgegenstä...