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Nicht erst seit Kurzem, aber in jüngerer Zeit merklich zunehmend, versuchen (vermeintlich zukünftige aber auch wirkliche) Erben und (zweifelhaft) (privatschriftlich) (general-)bevollmächtigte Individuen hinsichtlich der (möglicherweise) getätigten Urkundsgeschäfte des Erblassers/Vollmachtgebers über Notare an Informationen über sowohl alle jemals getätigten Urkundsgeschäfte als auch konkrete Beurkundungsvorgänge, insbesondere hinsichtlich der einen Beurkundungsvorgang begleitenden Umstände, zu gelangen. Eine typische Fallschablone sieht so aus, dass sich nach einer Beurkundung eines (teil-)unentgeltlichen Geschäfts (entfernte) Verwandte der übergebenden Person unter Legitimierung einer (Vorsorge-/General-)Vollmacht, entweder persönlich oder bereits anwaltlich vertreten, beim Notar melden und Auskunft über das konkrete Urkundsgeschäft und/oder sämtliche jemals beurkundeten Vorgänge verlangen. Dies geschieht mal geschickt und mal plump, mal per E-Mail oder Brief, mal telefonisch. Aber immer wieder unter dem – ebenfalls mal mehr und mal weniger offensichtlichen – Deckmantel der redlichen Informationsgewinnung für die übergebende Person. Regelmäßig ist unschwer zu erkennen, dass die Informationsgewinnung aus derartigen Anfragen einzig der Vorbereitung von Ansprüchen aus § 2287 BGB und/oder §§ 2325, 2329 BGB oder sogar der Vorbereitung des umfassenden Angriffs auf die Rechtmäßigkeit der Beurkundung bzw. Wirksamkeit der Urkunde dienen soll.

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Dem steht die Verschwiegenheitspflicht des § 18 BNotO entgegen. Obwohl es sich bei § 18 BNotO um eine zentrale und hochbedeutungsvolle Regelung für das Institut des Notaramts handelt,[1] scheint diese Norm in der Praxis dennoch oft unterzugehen – entweder weil sie ignoriert wird oder gar nicht bekannt ist.

[1] BeckOK-BNotO/Sander, 7. Ed. 1.3.2023, § 18 Rn 4; Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, 32 Rn 44.

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Der Beitrag möchte deshalb prägnant für Klarheit in Bezug auf die Verschwiegenheitspflicht gem. § 18 BNotO von Notaren gegenüber Bevollmächtigten und Erben sorgen.

I. Berufsgeheimnisträger

Der Notar ist Berufsgeheimnisträger und unterliegt einer Verschwiegenheitspflicht, die nicht bloß standesrechtlich besteht, sondern gesetzlich in § 18 BNotO[2] als eine Kardinalspflicht des Notaramts normiert ist.[3] Die Verschwiegenheitspflicht besteht gem. § 18 Abs. 1, 4 BNotO während und nach der Amtszeit; was gleichermaßen für dessen Mitarbeiter (§ 26 BNotO) gilt. Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht sind kein Kavaliersdelikt, sondern strafbar gem. §§ 201, 203, 204, 353b, 355 StGB.[4]

Durch die Pflicht des Notars zur Sachverhaltsaufklärung und Willenserforschung gem. § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG muss sich dem Notar anvertraut werden, damit dieser alle relevanten Punkte für die Beratung der an ihn herantretenden Personen sowie die Gestaltung der Urkunde berücksichtigen kann.[5] In den Notar muss deshalb das Vertrauen bestehen und der Notar muss gewährleisten, dass alle im Zusammenhang mit einer in seiner Amtsausübung mit ihm besprochenen Informationen und von ihm während der Amtsausübung wahrgenommenen Umstände stets verschwiegen behandelt und nicht an andere weitergegeben werden. Anderenfalls könnte sich dem Notar nicht umfangreich anvertraut werden. Dies ist aber zwingend erforderlich, weil der Notar sonst das an ihn herangetragene Anliegen (in vielen Fällen) nicht vollumfänglich erfassen kann.

[2] Die Norm bestand bereits in § 19 RnotO i.d.F. vom 13.2.1937 und wurde unverändert in die BNotO übernommen, siehe BGH NJW1975, 930, 930.
[3] Edenfeld, ZEV 1997, 391, 392; Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, 32 Rn 32, 44; BeckOK-BNotO/Sander, 6. Ed. 1.8.2022, § 18 Rn 208.
[4] Zu den damit einhergehenden Konsequenzen Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, 32 Rn 44.
[5] Zum Ganzen BeckOK-BNotO/Sander, 7. Ed. 1.3.2023, § 18 Rn 4; siehe auch Edenfeld, ZEV 1997, 391, 392.

II. Umfang der Verschwiegenheitspflicht

Von der Verschwiegenheitspflicht werden gem. § 18 Abs. 1 S. 1 BNotO alle Umstände erfasst, die dem Notar bei Ausübung seines Amts bekannt geworden sind.[6] Dabei ist es ohne Relevanz, ob ein Geheimhaltungsinteresse oder ein Geheimhaltungswille hinsichtlich der dem Notar bekannt gewordenen Umstände besteht.[7] Auch müssen dem Notar Informationen nicht ausdrücklich anvertraut worden sein.[8] Die Kenntnisnahme bei der Ausübung des Notaramts genügt.[9] Der BGH hat zudem bereits 1974 entschieden, dass eine Unterscheidung zwischen vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen Angelegenheiten nicht zu erfolgen hat.[10] Der Wortlaut des § 18 BNotO lässt dies bereits nicht zu.[11] In der Praxis wäre eine solche Abgrenzung auch nicht handhabbar, da beides sich nicht ausschließt, sondern oftmals Hand in Hand geht.[12]

Der BGH hat im Jahr 2005 klargestellt, dass

Zitat

"die Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich für den gesamten Inhalt einer notariellen Verhandlung einschließlich der Umstände, die der Notar anlässlich der Verhandlung erfährt [gilt], so gehören dazu die Tatsache, Zeit und Ort einer Inanspruchnahme des Notars als Amtsträger sowie die Identität der betre...

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