Ziel der vorgeschlagenen Neuregelungen ist es, den Einsatz von Videokonferenztechnik – als Ausdruck einer modernen, digitalen und bürgernahen Justiz – weiter zu fördern. Sie soll auch nach der Corona-Pandemie ein wichtiger Bestandteil der Verfahrensgestaltung bleiben. Mit ihr sollen Verfahren schneller, kostengünstiger, ressourcenschonender und nachhaltiger durchgeführt werden.[44] Die Kernpunkte können wie folgt zusammengefasst werden:[45]

In § 128a Abs. 1 ZPO-E soll die "Videoverhandlung" künftig wie folgt definiert werden: "Eine Videoverhandlung liegt vor, wenn die mündliche Verhandlung zeitgleich in Bild- und Ton an den Aufenthaltsort mindestens eines Verfahrensbeteiligten und in das Sitzungszimmer übertragen wird."
Das Gericht soll eine Videoverhandlung künftig auf Antrag oder von Amts wegen nicht mehr nur "gestatten", sondern "anordnen" können (§ 128a Abs. 2 S. 1 ZPO-E). Dies soll eine bessere Planbarkeit gewährleisten. Allerdings sollen die Verfahrensbeteiligten innerhalb einer vom Vorsitzenden zu bestimmenden Frist beantragen können, sie von dieser Anordnung auszunehmen (§ 128a Abs. 3 ZPO-E).
Das richterliche Ermessen soll eingeschränkt werden und sich zu einem gebundenen Ermessen verdichten, wenn die Parteien ihre Teilnahme per Bild- und Tonübertragung übereinstimmend beantragen; dann "soll" diese angeordnet werden (§ 128 Abs. 2 S. 2 ZPO-E). Weiter ist vorgesehen, dass über die Ablehnung eines Antrags durch Beschluss zu entscheiden ist, der zu begründen ist (§ 128a Abs. 2 S. 3 ZPO-E), und gegen den das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde möglich sein soll ( § 128 Abs. 7 ZPO-E).
Der Vorsitzende soll es auch Beisitzern gestatten können, sich während der Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten (§ 128a Abs. 4 ZPO-E) und es soll auch die Möglichkeit zur Durchführung einer vollvirtuellen Verhandlung geschaffen werden, bei der sich auch das Gericht nicht im Sitzungssaal aufhält. Um in diesen Fällen die Öffentlichkeit’zu gewährleisten, soll die Videoverhandlung zusätzlich in einen öffentlich zugänglichen Raum im Gericht in Bild und Ton übertragen werden (§ 128a Abs. 5 ZPO-E).
Das Gericht soll das persönliche Erscheinen zukünftig auch als Teilnahme an einer Videoverhandlung anordnen können (§ 141 Abs. 1 S. 2 ZPO-E).
Die Regelungen zur Beweisaufnahme per Bild- und Tonübertragung sollen aus systematischen Gründen in § 284 ZPO-E verschoben werden. In dessen Abs. 2 soll es zukünftig heißen: .Das Gericht kann die Beweisaufnahme entsprechend § 128a per Bild- und Tonübertragung anordnen. Satz 1 gilt nicht für den Beweis durch Urkunden. Gegenüber zu vernehmenden Parteien und Zeugen kann zusätzlich angeordnet werden, dass sich die zu vernehmende Person während der Vernehmung per Bild- und Tonübertragung an einer vom Gericht näher zu bestimmenden Gerichtsstelle aufzuhalten hat.“
Die Parteien sollen sich bereits mit Klageerhebung (§ 253 Abs. 3 ZPO-E) bzw. Klageerwiderung (§ 277 Abs. 1 S. 2 ZPO-E) dazu äußern, ob gegen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als Videoverhandlung Bedenken bestehen.
[44] Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums (BMJ) vom 23.11.2022; Ref-E, S. 1.
[45] Vgl. auch die Überblicke bei van Hattem/Bafteh, MMR 2023, 100; Windau im ZPO-Blog, abrufbar unter: https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/zpoblog/referentenentwurf-gesetz-foerderung-videokonferenztechnik; Werner/Borowski, AnwBl 2023, 88, 90.

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