Während der vorgenannte Streit für den Fall des ewigen Fortbestands der Gemeinnützigkeit nicht entschieden werden muss, ergeben sich drastische Unterschiede, wenn die Gemeinnützigkeit unter Verstoß gegen den Grundsatz der Vermögensbindung nachträglich entfällt.

 

Beispiel:

E verstirbt am 1.1.2010 und hinterlässt seinen Alleinerben A. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus der gemeinnützigen E-GmbH, deren steuerlicher Wert – von den gemeinnützigkeitsrechtlichen Bindungen abgesehen – 10.000.000,00 EUR beträgt. Das Stammkapital beträgt 25.000,00 EUR, weshalb das Finanzamt zum Todesfall von einer Erhebung einer Erbschaftsteuer absieht. Am 1.1.2015 fasst A einen Gesellschafterbeschluss, steigt aus der Gemeinnützigkeit aus und überführt das gesamte Gesellschaftsvermögen unter Verstoß gegen die gemeinnützige Vermögensbindung in sein Privatvermögen.

Nach der Auffassung der Finanzverwaltung ist der Erbschaftsteuerbescheid des A aufgrund des nachträglichen Entfalls der gemeinnützigkeitsrechtlichen Bindungen als aufschiebend bedingte Last nunmehr zu korrigieren und die Geschäftsanteile nicht mehr mit 25.000,00 EUR, sondern samt den daraus resultierenden Steuerfolgen mit einem Wert von 10.000.000,00 EUR anzusetzen. Dies hätte im Beispielfall eine Nachversteuerung i.H.v. 2.208.000,00 EUR ([10.000.000,00 EUR – 400.000,00 EUR]*0,23) zur Folge. Dabei ist völlig irrelevant, ob der Ausstieg aus der Gemeinnützigkeit einen Tag oder 30 Jahre nach dem Erwerb der Geschäftsanteile von Todes wegen erfolgt. Die Möglichkeit der Festsetzung einer erhöhten Steuerfestsetzung ist nach Auffassung der Finanzverwaltung zeitlich unbeschränkt.[92]

Nach der dogmatisch zutreffenden Ansicht scheidet eine Nachversteuerung mangels gesetzlicher Vorschrift aus. Es verbleibt – unabhängig von dem Zeitpunkt des Ausstiegs – bei der stichtagsbezogenen Festsetzung der Steuer.

Dieses Ergebnis mag insbesondere bei vorsätzlichen Verstößen gegen den Grundsatz der Vermögensbindung unbefriedigend sein, ist aber die logische (und einzig mögliche) Folge einer korrekten Anwendung der aktuellen Gesetzeslage.

[92] Kirchhain/Lorenz, DStR 2014, 1941, 1947.

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