Für den Fall, dass der überlebende Ehepartner das Familienheim zunächst erhält, entweder unmittelbar durch Zuweisung vom Erblasser oder durch Ausübung einer Option, z. B. eines Wahlvermächtnisses zugunsten des Familienheims, stellt sich die Frage, wie seine Besteuerung im Nachsteuerfall beim vorzeitigen lebzeitigen Auszug korrigiert werden kann.
Im Ausgangsbeispielsfall (vgl. oben 2.2.1 zum Wahlvermächtnis) wäre es vielleicht sinnvoll, der Ehefrau das Haus zunächst zuzuweisen, sie aber mit einem Herausgabevermächtnis zugunsten eines – dann einzugsbereiten – Kindes beider Eheleute zu belasten, wobei als Herausgabevermächtnisfall der Tod des überlebenden Ehepartners oder sein lebzeitiger Auszug – alternativ betrachtet – gelten. Zu klären ist, ob die Besteuerung der Mutter beim lebzeitigen Auszug, also im Nachsteuerfall, reduziert werden kann und ob erreichbar ist, dass das Kind einen begünstigten – zumindest rechtstechnisch gesehen – Erwerb von Todes wegen iSd § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) ErbStG tätigt.
Der Herausgabevermächtnisfall von Todes wegen führt dagegen zumindest nicht zu einer Nachsteuer und ist zweifelsfrei ein Erwerb von Todes wegen, steuerpflichtig nach § 6 Abs. 4 iVm § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG, also sowohl bei Wahl der Besteuerung nach dem Verhältnis zum Erblasser als auch sonst nach dem Zwischenerwerber auch bei Stiefkindern nach Steuerklasse I.
Wendet man dem überlebenden Ehepartner das Familienwohnheim im Testament (ggf. als Wahlvermächtnis) mit Anordnung des Herausgabevermächtnisses zugunsten eines Kindes für den Fall entweder des Todes des überlebenden Ehepartners oder des vorangehenden Auszuges zu, erhält das z. B. als Herausgabevermächtnisnehmer auserkorene Kind beim Auszug des überlebenden Ehepartners das Familienheim letztlich als Erwerber von Todes wegen vom Erstversterbenden der Eheleute. Maßgeblich dafür ist, dass die Herausgabe durch den zwischenberechtigten überlebenden Ehepartner aufgrund der Vorgaben des ursprünglichen Vermögensinhabers und Erblassers für den Fall des Auszugs des Überlebenden stattfindet. Der Zwischenerwerber verfügt also nicht freigebig, sondern der Enderwerber erwirbt – von Todes wegen – vom ursprünglichen Eigentümer des Objekts.
Die Wirkung eines Herausgabevermächtnisses im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht läuft darauf hinaus, dass – wenn das Herausgabevermächtnis nicht iSd § 6 Abs. 4 ErbStG an den Tod des Zwischenerwerbers anknüpft – jede Gleichstellung mit den Vor- und Nacherbschaften bzw. Vor- und Nachvermächtnissen nach § 6 ErbStG ausscheidet. Vielmehr liegt für die Besteuerung des Zwischenerwerbers ein auflösend bedingtes Ereignis vor, nämlich der vom Erblasser vorgegebene Auszug als auflösende Bedingung. Nach Eintritt der auflösenden Bedingung ist die Besteuerung des Zwischenerwerbers nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen (§ 5 Abs. 2 BewG), sodass er nur noch wie ein Nießbraucher, ggf. nur für wenige Jahre, zu besteuern ist. Im Ergebnis ist damit im Nachsteuerfall die Besteuerung des überlebenden Ehepartners auf die eines Nießbrauchers, zumeist auf wenige Jahre seiner Nutzung nach dem Tod des Erblassers, reduziert worden. Über § 16 BewG beträgt der Höchstwert der einjährigen Nutzungen 1/18,6 des Substanzwertes, also ca. 5,37 %. Dieser Jahreswert ist mit dem Vervielfältiger nicht nach der Lebensdauer bzw. statistischen Sterbetafel, sondern nach der Dauer der tatsächlichen Vorteilsziehung zu vervielfältigen. Die Ersparnis gegenüber ungekürzten Substanzbesteuerung im Nachsteuerfall fällt erheblich aus.
Zugleich tätigt das Kind, das jetzt beim Auszug des überlebenden Ehepartners das Objekt aufgrund des Herausgabevermächtnisses erhält, einen Erwerb von Todes wegen iSd § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c) ErbStG nach dem verstorbenen Erblasser. Eliminiert wird also die zurechenbare freie Entscheidung des Zwischenerwerbers zur lebzeitigen Weitergabe, die als Erwerb zu Lebzeiten bei Kindern rechtstechnisch nie begünstigungsfähig wäre.