Leitsatz
Soweit ein Erblasser in seinem Testament den Begriff "Kinderkrebshilfe" verwendet und insoweit mehrere Organisationen bestehen, die diesen Begriff in ihrem Namen tragen, ist im Wege der Auslegung (§ 2084 BGB) der erklärte Wille des Erblassers zu ermitteln. Die Auslegung hat Vorrang vor § 2065 BGB. Das Gericht, das im Wege der Auslegung den Willen des Erblassers feststellt, ist kein Dritter (anderer) im Sinne von § 2065 BGB. Erst wenn der Wortlaut auf der Verfügung so unbestimmt ist, dass die Auslegung nicht zu einem Ergebnis führt, greift § 2065 BGB ein.
Amtsgericht Dillingen an der Donau, Beschluss vom 8. Mai 2009 – VI 57/07
Sachverhalt
Der (...) Erblasser verstarb (...) im Alter von 78 Jahren. Der Erblasser war in einziger Ehe mit (...) verheiratet. Die Ehe wurde im Jahr 1969 geschieden. Aus der Ehe ist der Beteiligte zu 1) als einziges Kind hervorgegangen.
Es liegt ein privatschriftliches Testament folgenden Inhalts vor:
Zitat
Testament München den 29.7.94
Ich, geboren am 10. und 6.1928 in Ingolstadt A./D. Mein letzter Wille ist!
Für Erbe von meinem Sparguthaben 65.000 DM der Kinderkrebshilfe (...)
Der Beteiligte zu 1) beantragte Erteilung eines Erbscheins über sein Alleinerbrecht aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Er hält die pauschale Erbeinsetzung der "Kinderkrebshilfe" für völlig unbestimmt und damit nach den §§ 2065,134 BGB für unwirksam. So gebe es Dutzende, möglicherweise hunderte verschiedener Kinderkrebshilfeorganisationen, die alle rechtlich selbstständig seien und den Begriff "Kinderkrebshilfe" im Namen tragen. Eine eindeutige Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) liege somit nicht vor.
Die Beteiligte zu 2 beantragt ebenfalls die Erteilung eines Erbscheins über ihr Alleinerbrecht. Sie geht davon aus, dass der Erblasser mit seiner Formulierung "Kinderkrebshilfe" die Stiftung Deutsche Kinderkrebshilfe der Deutschen Krebshilfe, heute eine selbstständige Stiftung bürgerlichen Rechts, gemeint hat. Insbesondere sei in der Öffentlichkeit mit der Bezeichnung "Kinderkrebshilfe" die Kinderkrebshilfe der Deutschen Krebshilfe gemeint.
Aus den Gründen
Maßgebend für die Beerbung ist das formwirksame Testament vom 29.7.1994. Darin hat der Erblasser den wesentlichen Teil seines Nachlasses der "Kinderkrebshilfe" zugewandt und damit diese zum Alleinerben bestimmt. Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) ist diese Erbeinsetzung nicht mangels ausreichender Bestimmung des Bedachten gemäß § 2065 Absatz 2, 134 BGB unwirksam.
§ 2065 BGB hindert den Erblasser daran, die Entscheidung über die Geltung seiner Verfügungen auf andere Personen zu übertragen. Insbesondere kann der Erblasser die Person des Zuwendungsempfängers nicht offen lassen und einem anderen die Bestimmung zuweisen.
Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Der Erblasser hat die Bestimmung eines Alleinerben nicht dritten Personen überlassen. Soweit er in seinem Testament den Begriff Kinderkrebshilfe verwendet und insoweit mehrere Organisationen bestehen, die diesen Begriff in ihrem Namen tragen, ist im Wege der Auslegung (§ 2084 BGB) der erklärte Wille des Erblassers zu ermitteln. Die Auslegung hat Vorrang vor § 2065 BGB. Das Gericht, das im Wege der Auslegung den Willen des Erblassers feststellt, ist kein Dritter (anderer) im Sinne von § 2065 BGB. Erst wenn der Wortlaut auf der Verfügung so unbestimmt ist, dass die Auslegung nicht zu einem Ergebnis führt, greift § 2065 BGB ein.
Die somit vorrangige Auslegung gemäß § 2084 BGB führt zu dem Ergebnis, dass mit dem Begriff Kinderkrebshilfe die Beteiligte zu 2) zum Alleinerben eingesetzt werden sollte. Die Deutsche Krebshilfe hat schon Ende der Siebzigerjahre unter der Bezeichnung Kinderkrebshilfe Spenden speziell für die Bekämpfung und Erforschung von Krebskrankheiten bei Kindern gesammelt. In den öffentlichen Aktionen ist sie dabei unter der Bezeichnung Kinderkrebshilfe aufgetreten. Aus organisatorischen Gründen wurde dieser schon seit jeher bestehende Tätigkeitsschwerpunkt der Deutschen Krebshilfe im Jahre 1996 in der Stiftung Deutsche Kinderkrebshilfe der Deutschen Krebshilfe zusammengefasst. Die Stiftung genießt Markenschutz für die Bezeichnung Deutsche Kinderkrebshilfe und ist beim deutschen Patent- und Markenamt in München eingetragen. In Zeiten der Testamentserrichtung verwendete die Deutsche Krebshilfe, wenn sie für die Unterstützung ihrer Projekte zugunsten krebskranker Kinder warb, ausschließlich die Bezeichnung Kinderkrebshilfe. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist somit davon auszugehen, dass der Erblasser die Beteiligte zu 2) und nicht etwa irgendwelche ausländischen oder lediglich regional tätigen Organisationen als seinen Alleinerben einsetzen wollte.
Eingesendet von Rechtsanwalt Martin Klimesch, München