In dem dieser Betrachtung zugrunde liegenden Unternehmensnachfolgeszenario soll die liechtensteinische Stiftung oder ein anderes anteilseignerloses, unter dem DBA D-FL abkommensrechtlich als in Liechtenstein ansässig zu qualifizierendes stiftungsähnliches Rechtsinstitut (s. o. Abschnitt 2, nachfolgend vereinfachend als "Stiftung" bezeichnet) als Beteiligungsträgerstruktur Einkünfte aus Deutschland beziehen.
Ist die Stiftung etwa an einer deutschen Kapitalgesellschaft beteiligt, so betrifft dies Dividendeneinkünfte iSd Art. 10 DBA D-FL und Veräußerungserlöse iSd Art. 13 DBA D-FL. Auch für weitere relevante Einkunftsarten, z. B. Unternehmensgewinne gem. Art. 7 DBA D-FL, Zinsen gem. Art. 11 DBA D-FL oder Lizenzgebühren gem. Art. 12 DBA D-FL, sind seit dem 1.1.2013 Abkommensvorteile gegenüber dem bisherigen abkommensfreien Zustand vorgesehen. Der Anwendungsbereich des Art. 31 ("Gesellschaft, die Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat bezieht") ist somit vorliegend zweifelsohne eröffnet.
Es stellt sich die Frage, ob die abkommensrechtlichen "Anti-Missbrauchsregelungen" des Art. 31 iVm den Protokollbestimmungen 11–13 des DBA D-FL geeignet sind, die zu gewährenden Abkommensvergünstigungen der im zweiten Abschnitt als "ansässige Gesellschaften" qualifizierten Stiftungen wieder einzuschränken. Die korrekte Auslegung dieser Abkommensvorschriften erweist sich als anspruchsvoll und wird in zwei Schritten vollzogen:
Die von den Abkommensparteien getroffenen Regelungen des DBA wurden an die Formulierungen des § 50 d Abs. 3 dEStG angelehnt. Es wird deswegen zunächst am Beispiel einer österreichischen Privatstiftung analysiert, welche Bedeutung der bereits seit längerer Zeit bestehenden nationalen Vorschrift des § 50 d Abs. 3 dEStG im Anwendungskontext von Auslandsstiftungen ohne Anteilseigner zukommt.
Anschließend werden die obigen Bestimmungen des DBA D-FL erläutert. Es zeigt sich, dass die in den DBA-Vorschriften gleichlautend zur nationalen Vorschrift verwendeten Begriffe der "Gesellschaft" und der "Beteiligung" einer eigenständigen abkommensrechtlichen Auslegung bedürfen, die von den Auslegungen der gleichlautenden Begriffe im nationalen deutschen Steuerrecht abweichen. Es wird gezeigt, welche Auswirkungen die begrifflichen Auslegungsunterschiede auf die im DBA gewählten und auf zwei Teile verteilten (Art. 31 und insbes. Protokollbestimmung 11 a DBA D-FL) Formulierungen haben und welche alternierenden Rechtsfolgen die beiden Teile im Hinblick auf die mögliche Einschränkung von Abkommensvorteilen der im zweiten Abschnitt untersuchten liechtensteinischen Rechtsinstitute ohne Gesellschafter/Anteilseigner mit sich bringen.
3.1. § 50 d Abs. 3 dEStG im nationalen Kontext und im Verhältnis zu Auslandsstiftungen
§ 50 d Abs. 3 dEStG lautet nach den letzten europarechtlich veranlassten Änderungen in seiner neuesten Fassung wie folgt:
"Eine ausländische Gesellschaft hat keinen Anspruch auf völlige oder teilweise Entlastung nach Absatz 1 (hier: reduzierte Steuersätze aus DBA, Anm. des Verf.) oder Absatz 2, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, sowie "
1. in Bezug auf diese Erträge für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder
2. die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.“
Diese gerade erst revidierte Vorschrift ist nahezu unverständlich und wird in der deutschen Literatur entsprechend vernehmlich kritisiert. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, abkommensrechtlich grundsätzlich zu gewährende Vorteile dann einzuschränken, wenn und soweit an der "ausländischen Gesellschaft" Personen beteiligt sind, die – vereinfacht gesagt – selbst nicht für die Privilegien eines DBA qualifizieren. Es soll hierdurch vermieden werden, dass Investoren, die selbst nicht in den Genuss von Abkommensvorteilen kommen können, sich durch die "Dazwischenschaltung" einer abkommensrechtlich qualifizierenden Gesellschaft indirekt Vorteile verschaffen können, die ihnen selbst bei unmittelbarer Beteiligung gar nicht zustünden ("Anti-Treaty-Shopping").
In der Literatur wird davon ausgegangen, dass im Kontext der Vorschrift des § 50 d EStG mit "ausländischen Gesellschaften" nur solche Rechtsinstitute gemeint sind, die mit deutschen Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften zumindest insoweit vergleichbar sind, als sie über "beteiligte Personen" iSv Gesellschaftern/Anteilseignern verfügen. Um überhaupt in den Anwendungskreis des nationalen "Gesellschaftsbegriffs" iSd des § 50 d Abs. 3 dEStG zu gelangen, müssen an einem ausländischen Rechtsgebilde also wiederum natürliche oder juristische Personen gesellschaftsrechtlich beteiligt sein. Dies ist bei Stiftungen als anteilslosem Zweckvermögen g...