Leitsatz
Die durch ein Behindertentestament auf den Betroffenen übertragene (Vor-)Erbschaft führt auch bei gleichzeitiger Anordnung der Testamentsvollstreckung nicht zwingend zur Mittellosigkeit des Betroffenen. Vielmehr ist durch Auslegung der an den Testamentsvollstrecker adressierten Verwaltungsanordnungen zu ermitteln, ob der Erblasser auch Vergütungsansprüche des Betreuers ausschließen wollte.
BGH, Beschluss vom 27. März 2013 – XII ZB 679/11
Sachverhalt
Die Betroffene wendet sich gegen die zu ihren Lasten erfolgte Festsetzung eines Aufwendungsersatzanspruchs. Für die Betroffene, die am Down-Syndrom leidet, ist eine Betreuung eingerichtet. Betreuerin war zunächst ihre Mutter (im Folgenden: Erblasserin); diese verstarb im Mai 2004. Im September 2003 übernahm eine Schwester der Betroffenen, die Beteiligte zu 1, die Betreuung. Mit Testament vom 25. Mai 2000 setzte die Erblasserin die Betroffene zu 2/10 als nicht befreite Vorerbin ein. Die Schwestern der Betroffenen, die Beteiligten zu 1 und 2, wurden mit 5/10 bzw. 3/10 als weitere Erbinnen und zudem zu gleichen Teilen als Nacherbinnen nach der Betroffenen eingesetzt. Hinsichtlich der Betroffenen ordnete die Erblasserin "lebenslange Testamentsvollstreckung" an. Im Testament heißt es hierzu:
"Der jeweilige Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, den Inge zugefallenen Nachlass so zu verwalten, dass sie ihr Leben wie bisher weiterführen kann. "
Ich stelle in das Ermessen des Testamentsvollstreckers, aus den Erträgen und, wenn er dies für erforderlich hält, auch aus der Substanz des Nachlasses Sachleistungen und Vergünstigungen für Inge erbringt, die der Testamentsvollstrecker für zweckmäßig und sinnvoll hält und die geeignet sind, Inge Erleichterungen und Hilfen zu verschaffen.
Der Nachlass soll für das persönliche Wohl und die persönlichen Bedürfnisse entsprechend dem Grad der Behinderung von Inge verwendet werden.“
Im Weiteren wurde im Wege der Teilungsanordnung festgelegt, dass etwaiger Immobilienbesitz den Beteiligten zu 1 und 2 im Verhältnis 3/5 zu 2/5 zufallen solle; den ihrer Erbquote entsprechenden Nachlassanteil sollte die Betroffene ausschließlich in "Geldform" erhalten. Zur Testamentsvollstreckerin wurde die Beteiligte zu 2 bestimmt.
Der Beteiligte zu 3, der Rechtsanwalt ist, wurde als Ergänzungsbetreuer zur Vertretung der Betroffenen im Erbauseinandersetzungsverfahren bestellt; die Aufgabenbereiche der Beteiligten zu 1 und 2 wurden entsprechend eingeschränkt. Im Jahr 2010 wurde die Erbengemeinschaft nach der Erblasserin auseinandergesetzt; der Betroffenen flossen Geldbeträge von insgesamt 251.145,94 EUR aus der Erbmasse zu. Anschließend wurde die Ergänzungsbetreuung aufgehoben. Das Amtsgericht hat die "Vergütung" (richtig: Aufwendungsersatz) für den Beteiligten zu 3 antragsgemäß auf 8.216,47 EUR festgesetzt. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Zu Recht habe das Amtsgericht die Betreuervergütung des Beteiligten zu 3 gemäß §§ 292, 168 FamFG gegen die Betroffene festgesetzt. Diese sei nicht als mittellos im Sinne der §§ 1836 c und d BGB anzusehen.
Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei ein sogenanntes Behindertentestament, in dem die Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie eine mit konkreten Verwaltungsanweisungen verbundene Dauertestamentsvollstreckung so gestalten würden, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhalte, die Sozialhilfeträger aber auf dieses nicht zurückgreifen könnten, grundsätzlich nicht sittenwidrig, sondern Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus. Eine derartige letztwillige Verfügung liege auch hier vor.
Die Auslegung der von der Erblasserin getroffenen Regelungen ergebe für die Testamentsvollstreckung, dass die Betreuervergütung aus dem Nachlass entnommen werden könne. Auszugehen sei dabei von der Überlegung, dass die rechtliche Bewertung der Zulässigkeit des sogenannten Behindertentestaments einschließlich der Zulässigkeit des damit verbundenen Pflichtteilsverzichts letztlich auf der besonderen Situation der Eltern eines behinderten Kindes und der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über ihren Tod hinaus beruhe. Allein das lasse die sonst durchaus naheliegende Bewertung als sittenwidrig wegen der Folge des Entzugs der Zugriffsmöglichkeit für die Sozialhilfeträger bzw. andere staatliche Stellen zurücktreten. Daraus folge indes weiter, dass wegen des Ausnahmecharakters der Ausschluss eines Zugriffs sorgfältig geprüft werden müsse. Maßstab dafür könne nur die konkrete Ausgestaltung der getroffenen Anordnung für die Testamentsvollstreckung im Einzelfall sein.
Stelle man auf die getroffenen Anordnungen ab, so ergebe eine Auslegung, dass n...