Nach diesem "Ausflug" in für Erbrechtler sicherlich eher ungewohnte rechtliche Gefilde stellt sich die Frage, zu welchen Ergebnissen die so gewonnenen Erkenntnisse im vom KG Berlin konkret entschiedenen Fall führen. Dafür existieren zwei Anknüpfungspunkte: Zum einen die Einwilligung der Kommunikationspartner in die Kommunikation mit der Tochter, denn diese könnte dahingehend auszulegen sein, dass sie im Erbfall auch für die Erben fortgelten soll. Ist das nicht der Fall oder kommt man zu keinem eindeutigen Ergebnis, so bleibt zum anderen die Möglichkeit einer mutmaßlichen Einwilligung.
a) Auslegung der Einwilligung der Kommunikationspartner
Die Kommunikationspartner der Tochter haben durch ihre Kommunikationen mit ihr in die Kenntnisnahme durch sie eingewilligt. Ob sie sich dabei auch Gedanken darüber gemacht haben, wie im Fall des Todes der Tochter mit den Kommunikationsinhalten umzugehen ist, lässt sich nicht feststellen. Dazu müsste man entweder die Kommunikationspartner befragen oder in den Kommunikationen selbst nach Anhaltspunkten suchen. Beides würde aber wiederum den Zugriff auf das Benutzerkonto voraussetzen, da man ansonsten die Kommunikationspartner nicht identifizieren und auch die Kommunikation selbst sichten kann. Da aber der Zugang zu dem Benutzerkonto selbst infrage steht, dreht man sich im Kreis.
Die Einwilligungen sind mithin ausgelegungsbedürftig.
aa) Die Auslegung des KG Berlin
Das KG Berlin führt dazu aus (Rn 107): "In der Teilnahme an einer über Facebook geführten Kommunikation liegt keine Einwilligung in die Weitergabe von Kommunikationsinhalten an den Erben des ursprünglichen Kommunikationspartners." Zwar könne eine solche Einwilligung auch konkludent erfolgen, so das KG Berlin weiter, allerdings dürfe "[e]ine konkludente Einwilligung [nur] angenommen werden, wenn ein bestimmtes Verhalten in einem solchen Maße üblich und geradezu selbstverständlich ist, dass entsprechend dem Grundgedanken des § 157 BGB nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte vernünftigerweise nur von einer Zustimmung des Betroffenen ausgegangen werden kann, sofern er dem Verhalten nicht widerspricht (vgl. die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen einer konkludenten Einwilligung des Patienten in die Weitergabe seiner personalen Daten durch seinen Arzt, BGHZ 115, 123)."
Daran fehle es bei einer Kommunikation via Facebook. Zur Begründung verweist das Gericht darauf, es lasse sich nicht feststellen, dass es "zum Zeitpunkt der Teilnahme der Kommunikationspartner der Erblasserin an der Kommunikation geradezu selbstverständlich war, dass im Falle des Todes eines Telekommunikationspartners den Erben vom Betreiber der social-media-Plattform eine Zugangsmöglichkeit zu den Kommunikationsinhalten verschafft wird". "Vielmehr konnten die Teilnehmer einer Kommunikation über Facebook eher davon ausgehen, dass eine solche Weitergabe an die Erben aufgrund der Richtlinien zum Gedenkstatus gerade nicht erfolgt."
bb) Kritik
Diese Argumentation ist aus mehreren Gründen befremdlich. Bereits der Anknüpfungspunkt, nämlich die Rechtsprechung des BGH zu den Voraussetzungen einer konkludenten Einwilligung des Patienten in die Weitergabe seiner personalen Daten durch seinen Arzt, passt hier ersichtlich nicht. Es geht dort um ein besonders geschütztes Vertrauensverhältnis, bei dem strenge Anforderungen an die Annahme einer Einwilligung zur Weitergabe gestellt werden müssen. Hier geht es aber um eine sozialübliche Kommunikation unter Privaten. Keiner der Kommunikationspartner nimmt bei einer Kommunikation via Facebook ein gesteigertes Vertrauen in Anspruch, wie es im Verhältnis des Patienten zum Arzt der Fall ist.
Gleichzeitig führen sowohl der Hinweis auf eine noch fehlende Verkehrssitte im Bereich der Kommunikation über Social-Media-Plattformen als auch der Hinweis auf die die Richtlinien von Facebook zum Gedenkstatus jeweilsin einen Zirkelschluss. Wenn eine Verkehrssitte als Anknüpfungspunkt noch fehlt, kann dieses Fehlen nicht als Argument gegen die Etablierung einer Verkehrssite ins Feld geführt werden. Vielmehr müsste man prüfen, ob es in vergleichbaren Bereichen, bspw. im Bereich der analogen Kommunikation, eine Verkehrssitte gibt, an die man anknüpfen kann. Mit Blick auf die Richtlinien zum Gedenkzustand stellt sich die Frage, ob diese überhaupt einen geeigneten Anknüpfungspunkt für die Auslegung darstellen, denn ihre Rechtmäßigkeit steht nicht fest. So hatte das LG Berlin in seiner erstinstanzlichen Entscheidung diese Richtlinien noch wegen § 307 BGB für unwirksam gehalten.
Anders könnte man es allenfalls dann sehen, wenn Facebook für seine Dienste gerade mit dem Hinweis auf den Ausschluss der Weitergabe im Erbfall geworben hätte, was aber nicht der Fall ist. Die Kommunikationspartner der Erblasserin konnten vielmehr bereits zu ihren Lebzeiten nicht davon ausgehen, dass die Erblasserin die Umstände und den Inhalt der mit ihr geführten Kommunikationen für sich behalten würde. Facebook stellt in seinem Facebook Messenger nicht ohne Grund eine eigene Funktion zur Weiterleitung von Nachrichten an Dritte...