Im Zusammenhang mit der speziellen Regelung des § 29 ErbStG wird die Frage diskutiert, ob der rückwirkende Wegfall des Steueranspruchs "ex tunc" (Erlöschen des Schenkungsteueranspruchs nach § 29 ErbStG) zum Entfallen des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung und damit zum Entfallen der Festsetzung von Hinterziehungszinsen führt. Bisher ist nicht abschließend geklärt, inwieweit sich die in § 29 Abs. 1 ErbStG angeordnete Rechtsfolge ("Die Steuer erlischt mit Wirkung für die Vergangenheit") auch auf steuerliche Nebenleistungen erstreckt.
Das Hessische Finanzgericht hat die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Hinterziehungszinsen in folgendem Fall bejaht. Eine Ehefrau hatte von ihrem Mann diverse Zuwendungen erhalten, ohne diese gem. § 30 ErbStG anzuzeigen. Die Zuwendungen wurden durch die Steuerfahndung aufgedeckt. Bzgl. der hinterzogenen Schenkungsteuern wurden Hinterziehungszinsen festgesetzt. Zur Abwehr der Steuerhinterziehung trug die Ehefrau/Klägerin unter Vorlage eines notariellen Ehevertrags vor, dass die fraglichen Zuwendungen Gegenstand eines durchgeführten Zugewinnausgleichs gewesen seien. Mit diesem hätten sie den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft zugunsten der Gütertrennung aufgehoben. Auf den daraufhin durchzuführenden Zugewinnausgleich zu ihren Gunsten seien die bereits erfolgten Zuwendungen angerechnet worden. Insoweit entfiel rückwirkend gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG die Schenkungsteuer. Die Klägerin argumentierte gegen die Festsetzung der Hinterziehungszinsen, dass die in § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG angeordnete Rechtsfolge (rückwirkender Wegfall der Schenkungsteuer) sich auch auf steuerliche Nebenleistungen/hier Hinterziehungszinsen erstrecken müsse. Dagegen entschied das FG Hessen, der rückwirkende Wegfall des Schenkungsteueranspruchs führt nicht zum Entfallen des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung. Entsprechend können Hinterziehungszinsen nach Maßgabe des § 235 AO festgesetzt werden.
Allgemein gilt: Zur Vermeidung einer Steuerhinterziehung können Ehegatten/Lebenspartner in bestimmten Fällen (wenn die Zuwendungen nicht ordnungsgemäß angezeigt worden sind) den Güterstand während der Ehe wechseln. Die Zuwendungen können beim Wechsel des Güterstands in den Zugewinnausgleich mit der Folge fallen, dass die früheren Zuwendungen bzw. Erwerbe nachträglich steuerfrei werden, d. h. eine darauf schon gezahlte Steuer erstattet wird bzw. eine noch nicht gezahlte Steuer nicht mehr festgesetzt wird. Weiteres Beispiel: Ein Ehemann schreibt das Guthaben seines Einzelkontos auf ein Gemeinschaftskonto der Eheleute um, eine Anzeige gem. § 30 ErbStG wird nicht erstattet. Das Finanzamt sieht die Umschreibung bzw. auch weitere Einzahlungen als Schenkungen an die Ehefrau an, für die die Schenkungsteuer hinterzogen wird. Bei Auflösung der Zugewinngemeinschaft (ggf. im Rahmen einer sog. Güterstandschaukel) können diese Zuwendungen bei dem daraufhin durchzuführenden Zugewinnausgleich auf die (steuerfreie) Zugewinnausgleichsforderung angerechnet werden. Insoweit entfiele rückwirkend gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG die Schenkungsteuer.
Zur Frage, ob mit Verwirklichung des Tatbestands des § 29 Abs. 1 ErbStG die Steuerhinterziehung entfalle und Hinterziehungszinsen jedenfalls aufgrund des in § 29 Abs. 1 ErbStG geregelten rückwirkenden Ereignisses nicht mehr festgesetzt werden dürfen bzw. bei schon erfolgter Festsetzung der Zinsbescheid aufgehoben werden müssen, wird in der Literatur überwiegend die Auffassung vertreten, dass dies der Fall sei. Dagegen steht die Überlegung, dass Zuwendungen an Ehegatten zunächst einmal anzuzeigen und bei Vorliegen der entspr. Voraussetzungen zu versteuern sind. Durch eine unterlassene Anzeige der Zuwendungen wird die Steuerhinterziehung vollendet und damit durch die Steuerhinterziehung ein Liquiditätsvorteil erzielt, der durch die Hinterziehungsverzinsung "abgeschöpft" werden soll (vgl. AEAO Nr. 1 zu § 235 AO). Im Zeitpunkt vor Vereinbarung der "Güterstandschaukel" ist nicht bestimmt absehbar, dass die Zuwendungen im Rahmen eines Zugewinnausgleichs steuerfrei sein werden. Ich halte daher die Entscheidung des FG Hessen für vertretbar; eine gesetzliche Klarstellung wäre wünschenswert. Die an sich im Ergebnis vergleichbare Regelung in § 29 Abs. 2 ErbStG, nach der für die Dauer der unentgeltlichen Nutzung von zugewendetem Kapital der Kapitalwert der Nutzung als Schenkung angesetzt werden kann, ist in den hier behandelten Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nicht anwendbar (R E 5.1 Abs. 6 ErbStR).
Zunächst einmal muss man in der Praxis davon ausgehen, dass betreffende Finanzämter in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG für den Zeitraum der Hinterziehung Hinterziehungszinsen festsetzen werden. Dagegen müsste im Zweifel Einspruch eingelegt und im Sinne der vorgenannten Literatur argumentiert werden. Entsprechendes wird dann auch in anderen Fällen des § 29 Abs. 1 ErbStG gelten (soweit im Einzelfall überhaupt einschlägig). Ertragsteuerlich bleibt ...