Leitsatz
1. Grabpflegekosten sind keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1968 BGB.
2. Eine in einer letztwilligen Verfügung enthaltene Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege führt nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs.
3. Zur Berechnung des Zusatzpflichtteils gemäß § 2305 BGB.
BGH, Urt. v. 26.5.2021 – IV ZR 174/20
1 Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil geltend. Die am 5.3.2017 verstorbene Helga Margot T. (im Folgenden: Erblasserin) war ledig und hatte keine leiblichen Kinder. Den Kläger hatte sie 1981 als ehelichen Abkömmling durch Adoption angenommen. Die Erblasserin hinterließ ein eigenhändiges Testament ohne Datum, welches am 10.4.2017 durch das Nachlassgericht eröffnet wurde, mit folgendem Inhalt:
"Ich Margot T."
geb. am 25.7.1931
Mein letzter Wille!
Christine Th. möchte ich als Verwalter meiner Persönlichen Sachen Übergeben.
Wenn alles Verkauft ist, bekommen alle 10 % + 5 % die ich jetzt Namentlich schreibe. Der Rest ist für die Beerdigung und, 20 Jahre Pflege des Grabes. Eure Margot.“
Dieser Text befindet sich rechtsseitig auf dem Testament. Auf der linken Seite heißt es:
"Eberhardt G. 10 %"
Denise G. Dieter G. 10 %
Carolien M. 10 % B.
Heike G. 5 %
Marie-Christin 5 %
Christine 10 %
Jenal Ö. H. Rottmann 5 % und die Wohnung
Der Brilli geht nach B. an Heidi R.“
Die Beklagte zu 6 wurde durch Beschluss des Nachlassgerichts vom 6.9.2017 zur Testamentsvollstreckerin ernannt und ihr ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt. Sie erstellte am 23.4.2018 ein Nachlassverzeichnis und holte Angebote für die Kosten einer zwanzigjährigen Grabpflege ein. Nach einem Angebot belaufen sich die Kosten auf 11.682,83 EUR, nach einem weiteren auf 7.329,57 EUR. Der Aktivnachlass betrug nach dem Vorbringen des Klägers in der Revisionsinstanz 16.102,74 EUR. Nachlassverbindlichkeiten bestanden ohne die Grabpflegekosten in Höhe von 6.337,55 EUR. Der Kläger forderte die Beklagte zu 6 mit Schreiben vom 29.6.2018 unter Fristsetzung zum 15.7.2018 zur Zahlung von 3.559,77 EUR auf, was diese mit Schreiben vom 28.8.2018 ablehnte und dem Kläger lediglich 809,44 EUR überwies.
Der Kläger hat sich erstinstanzlich darauf berufen, ihm stehe ein Zusatzpflichtteil in Höhe von 3.559,77 EUR zu, woraus sich abzüglich der gezahlten 809,44 EUR ein Betrag in Höhe von 2.750,33 EUR ergebe. Er hat die Auffassung vertreten, die Grabpflegekosten seien bei dem Zusatzpflichtteil nicht zu berücksichtigen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seine Klage erweitert und zuletzt in der Hauptsache einen Betrag von 6.335,56 EUR geltend gemacht. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger, ausgehend von einem Bruttonachlass von 16.102,74 EUR, sein Begehren teilweise weiter, nämlich auf Zahlung eines Betrages von 3.209,04 EUR nebst Zinsen gegen die Beklagten zu 1 – 6, darüber hinaus auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte zu 6 sowie auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
2 Gründe
II.
Die Revision hat Erfolg.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZErb 2020, 369 veröffentlicht ist, hat – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch aus § 2305 BGB gegen die Beklagten zu. Zwar finde § 2305 BGB auf den Kläger Anwendung. Er sei pflichtteilsberechtigt und sein Pflichtteil betrage als einziger Abkömmling die Hälfte des Nachlasses. Aus dem Testament ergebe sich für ihn eine Erbquote von 9,09 %. Der Anspruch des Klägers sei durch die vorgerichtliche Zahlung vollumfänglich erfüllt. Die Kosten für die Grabpflege seien als Nachlassverbindlichkeit anzusehen. Es handele sich zwar um keine Beerdigungskosten im Sinne des § 1968 BGB, da die Beerdigung mit der erstmaligen Herrichtung der Grabstätte abgeschlossen sei. Hier sei jedoch die Anordnung im Testament, dass der "Rest" des Vermögens für eine zwanzigjährige Grabpflege zu verwenden sei, so auszulegen, dass den Erben testamentarisch die Pflicht auferlegt worden sei, für eine solche Grabpflege zu sorgen. Dem Erblasserwillen könne nur zur Geltung verholfen werden, wenn die Kosten der Grabpflege vom Nachlass als Verbindlichkeit abgezogen würden. Sie stellten sich als eine Erbfallschuld dar. Die Kosten der Grabpflege schätze das Gericht auf 9.506,20 EUR, den Mittelwert der von der Beklagten zu 6 eingeholten Angebote. Hieraus ergebe sich kein weiterer Anspruch des Klägers.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Klage nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger nicht alle Miterben verklagt hat. Ein Nachlassgläubiger hat bis zur Teilung des Nachlasses die Wahl, ob er die Miterben als Gesamtschuldner (§ 2058 BGB) in Anspruch nimmt, oder ob er von ihnen (lediglich) die Befriedigung aus dem ungeteilten Nachlass in Form der Gesamthandsklage (§ 2059 Abs. 2 BGB) verlangt (Senatsurteil v. 10.2.1988 – IVa ZR 227/86, NJW-RR 1988, 710 [juris Rn 8]). Hier h...