Leitsatz
1. Für die Abgrenzung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis stellt die Rechtsprechung auf die Wertverhältnisse der verteilten Gegenstände ab.
2. Grundsätzlich ist bei nicht eindeutigem und daher auslegungsbedürftigem Testamentswortlaut gemäß § 133 BGB nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Vielmehr ist der Wortsinn der vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten sagen wollte und ob er mit ihnen genau das unmissverständlich wiedergab, was er zum Ausdruck bringen wollte (BGH NJW 1993, 256).
3. Wird gut vier Jahre nach Rückerlangung eines als wertlos gewordenen Objekts ein kostspieliges Verfahren auf Entschädigung zum Wiederaufbau des Objekts anhängig gemacht, dieses Objekt kurze Zeit später in einer letztwilligen Verfügung einem Kind zugewandt, bringt dies insbesondere in Verbindung mit der Nachfolgeklausel die Vorstellung des Erblassers von Zusammengehörigkeit von Grundbesitz und Entschädigungsforderung zum Ausdruck. Anders wäre dies zu beurteilen, wenn keinerlei bzw. Entschädigungsansprüche erst nach Testamentserrichtung gerichtlich geltend gemacht werden.
OLG Brandenburg, Urteil vom 18. Juni 2008 – 13 U 77/07
Sachverhalt
Die Parteien sind zwei der drei Kinder der am 13.3.2000 verstorbenen Erblasserin. Diese hinterließ ein ihr im Wege der Restitution zurück übertragenes Hofgrundstück sowie Sparkonten und Depots. Weiterhin war sie Inhaberin einer titulierten Forderung über 444.642,00 DM. In ihrem Testament vom 25.10.1996 hatte sie wörtlich verfügt:
Zitat
“Mein letzter Wille!
Nach meinem Tod fällt meiner Tochter G. H... (...) mein gesamter Grundbesitz zu. Im Fall ihres Todes geht der gesamte Besitz an ihre Töchter, unsere Enkel, N. und K. K. (...), zu gleichen teilen über. Kein anderer hat an dem vererbten Grundbesitz Anspruch. Unser Barvermögen fällt unseren Kindern zu gleichen Teilen zu.“
K., 25.10.1996
(Unterschrift)
Unter dem 2.5.2000 stellte das AG Liebenwerda einen Erbschein aus, der die Beklagte als alleinige Vollerbin nach der Verstorbenen ausweist. Nachdem die Beklagte den mit der am 19.2.2003 bei Gericht eingegangenen Stufenklage geltend gemachten Auskunftsanspruch der Klägerin begründet, mit einem Pflichtteilsanspruch anerkannt und ein notarielles Nachlassverzeichnis vom 6.12.2004 zu den Akten gereicht hat, das einen Aktivnachlass in Höhe von unstreitig 589.303,57 DM ausweist, hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung eines Drittels des Barvermögens nunmehr gestützt auf einen Erbauseinandersetzungsanspruch in Anspruch genommen. (...)
Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung von Zeugen nur zu einem geringen Teil stattgegeben. Den Anspruch der Klägerin hat es aus den §§ 2174, 2147 BGB abgeleitet. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin nicht Erbin, sondern Vermächtnisnehmerin sei. Mit dem handschriftlichen Testament vom 25.10.1996 habe die Erblasserin gewollt, dass die Beklagte Erbin und die drei Geschwister wegen des Barvermögens Vermächtnisnehmer würden. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. (...)
Aus den Gründen
Die gemäß den §§ 517, 519, 520 ZPO zulässige, insbesondere fristgerechte Berufung der Klägerin hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Grundlage des Zahlungsanspruchs der Klägerin sind die §§ 2305, 2307 Abs. 2 bzw. § 2303 BGB. Als Vermächtnisnehmerin hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil, soweit der Wert des Vermächtnisses hinter dem des gesetzlichen Pflichtteils zurückbleibt. Die Klägerin ist Vermächtnisnehmerin im Sinne des § 2174 BGB, die Beklagte mit dem Vermächtnis beschwerte Erbin, § 2147 BGB. (...)
Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung ist die Verfügung vom 25.10.1996 nicht dahin auszulegen, dass die Erblasserin ihre Kinder in Bezug auf die nach Grund und Höhe noch ungewisse Entschädigungsforderung zu gleichen Teilen als Erben und zu Gunsten der Beklagten in Bezug auf den Grundbesitz lediglich ein Vermächtnis begründen wollte. (...) Auch in Bezug auf die Verteilung des Nachlasses unter den Kindern, insbesondere deren Einordnung als Erben bzw. Vermächtnisnehmer, folgt der Senat im Ergebnis den Ausführungen im angefochtenen Urteil. Die Beklagte ist aufgrund des Testaments Alleinerbin, die Klägerin Vermächtnisnehmerin.
Für die Abgrenzung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis stellt die Rechtsprechung auf die Wertverhältnisse der verteilten Gegenstände ab. Danach ist es nahe liegend, als Alleinerben die Person oder Personen anzusehen, denen wertmäßig der Hauptnachlassgegenstand zugewiesen ist, und als Vermächtnisnehmer die Personen, die mit Gegenständen von verhältnismäßig geringem Wert bedacht sind. Insbesondere dann, wenn eine Immobilie ihrem Wert nach den wesentlichen Teil des Vermögens bildet, liegt es nahe, in ihrer Zuwendung an eine bestimmte Person deren Einsetzung als Alleinerbe zu sehen (BayObLG, NJW-RR 99, 1021, 1021). Maßgebend dabei sind die Vorstellungen, die der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung über die voraussichtliche Zusammen...