Leitsatz
1. Nach Anordnung einer Nachlassverwaltung kann eine Nachlassforderung nur gegen den Verwalter, nicht aber gegen den Erben prozessual geltend gemacht werden; die Nachlassabsonderung soll den Erben nicht nur vor einer Haftung mit dem Eigenvermögen, sondern auch vor der persönlichen Einbeziehung in einen Nachlassrechtsstreit schützen.
2. Aus der Abweisung einer Klage als unzulässig folgt nicht die Unzulässigkeit der Widerklage.
OLG Celle, Urteil vom 20. Mai 2009 – 9 U 159/08
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Gewinnanteilen, die die klagende GmbH ausgeschüttet hat, sowie über die Rückzahlung eines dem verstorbenen Ehemann der Beklagten gewährten Darlehens. Mit der Widerklage wird die Zahlung zusätzlicher Gewinnanteile für das Jahr 2002 sowie die Erfüllung weiterer Zahlungsansprüche begehrt.
Der jetzige alleinige Geschäftsführer der Klägerin ... und der am 31.8.2002 verstorbene ... waren seit dem 29.6.1983 gemeinsam Gesellschafter der Klägerin, zuletzt auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrags der ...-Treuhand Steuerberatungs GmbH vom 5.2.2002 in der Fassung vom 19.2.2002 nebst Berichtigungsvermerk vom 18.3.2002. Beide waren zu je 50 % an dem Stammkapital von 51.200 EUR beteiligt; beide waren auch allein vertretungsberechtigte Geschäftsführer der Gesellschaft.
Die Beklagte ist Alleinerbin ihres Ehemannes ... Gemäß § 6 des Gesellschaftsvertrags hat der verbleibende Gesellschafter die Geschäftsanteile des verstorbenen Gesellschafters durch notarielle Verhandlung vom 25.10.2002 zugunsten des verbleibenden Gesellschafters gegen Entgelt eingezogen.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte habe das geschuldete Einziehungsentgelt und Gewinnanteile für 2002 erhalten. Der vormalige Gesellschafter ... habe für den Zeitraum 1.1.2002 bis 31.8.2002 einen anteiligen Gewinnanspruch gehabt, der 11.146 EUR (rechnerisch wohl eher richtig: 11.145,66 EUR) betrage. Gezahlt seien jedoch 52.584 EUR. Die Differenz iHv 41.438 EUR ist Gegenstand der Rückforderung der Klägerin.
Des Weiteren hat die Klägerin behauptet, den damaligen Gesellschaftern jeweils ein Darlehen gewährt zu haben, und zwar dem vormaligen Gesellschafter ... am 29.6.2000 iHv 25.000 DM bei einem Zinssatz von 5 %. Auf dieses Darlehen habe der Gesellschafter ... bis zu seinem Todeszeitpunkt Teilbeträge gezahlt. Offen sei ein Restbetrag von 15.000 DM = 7.669,38 EUR.
Die Beklagte hat sich gegen die Klageforderung gewandt und widerklagend den von der Klägerin selbst errechneten Gewinnanteil für das Jahr 2002 iHv mindestens 25.848,66 EUR geltend gemacht. Die Klägerin habe überdies Erträge aus Lebensversicherungen iHv 41.489,08 EUR an die Beklagte auszuzahlen. Schließlich stehe ihr der hälftige Anteil am Unternehmenswert zu, der auf den verstorbenen Gesellschafter ... entfalle. Den Unternehmenswert habe der Schiedsgutachter mit Gutachten vom 28.7.2006 per 31.8.2002 auf 300.740,93 EUR festgestellt. Die Beklagte rechne auf den am 1.9.2003 fälligen Betrag den am 20.3.2003 gezahlten Betrag von 12.500 EUR an. Schließlich schulde die Klägerin den hälftigen Betrag des verauslagten Schiedsgutachterhonorars.
Nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens hat das LG die Klage als unbegründet und die Widerklage als teilweise begründet angesehen. Wegen des weitergehenden erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und der Entscheidungsgründe des LG wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen die Abweisung der Klage und gegen die Verurteilung auf die Widerklage hin. (...)
Aus den Gründen
Die Berufung ist zulässig. Hinsichtlich der Klage führt sie zu deren Abweisung als unzulässig statt als unbegründet. Hinsichtlich der Widerklage ist sie teilweise begründet, soweit die Berechnung des Unternehmenswerts durch den Schiedsgutachter angegriffen wird; im Übrigen bleibt der Angriff gegen die Widerklage erfolglos.
1. Klage
Die Berufung ist hinsichtlich der Klage zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin kann ihre Ansprüche gem. § 1984 Abs. 1 Satz 3 BGB nur gegen den Nachlassverwalter geltend machen. Zugestellt worden ist die Klage der Beklagten am 18.11.2004, also nach Anordnung der Nachlassverwaltung durch Beschluss des Nachlassgerichts vom 23.8.2004. Sie war damit in Anwendung der hM zu § 1984 Abs. 1 Satz 3 BGB von Beginn an unzulässig (vgl. nur MüKo/BGB/Siekmann, 4. Aufl., § 1984 Rn 7; Jauernig/Stümer, BGB, 12. Aufl., § 1984 Rn 7). Ein Fall der Unterbrechung gem. § 241 Abs. 3 ZPO ist nicht gegeben. Auch wenn der Nachlassverwalter hinsichtlich der Widerklage eine Ermächtigung für die Prozessführung durch die Beklagte erteilt hat (dazu nachfolgend zu 2 a), folgt daraus nichts zugunsten der Klägerin. Eine gewillkürte Prozessstandschaft auf der Passivseite ist nicht zulässig (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., vor § 50 Rn 43). Im Übrigen hat der Nachlassverwalter seine Ermächtigung auf den Gegenstand der Widerklage beschränkt, wie sich aus seiner schriftlichen Äußerung als Zeuge ergibt.
Abweichend von der hM zu den prozessualen Konsequenzen der ...