Leitsatz
Artikel 26 Absatz 5 EGBGB regelt auch die Frage, nach welchem Statut sich die Wirksamkeit des Widerrufs einer wechselbezüglichen letztwilligen Verfügung richtet.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 14. Mai 2009 – 26 U 31/08
Sachverhalt
(...) Der Erblasser war deutscher Staatsbürger und seit 1963 mit der Beklagten verheiratet. Am 9. 7.1973 errichteten die Beklagte und ihr verstorbener Ehemann ein notarielles gemeinschaftliches Testament, mit dem sie sich gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden, zu alleinigen, unbeschränkten Erben einsetzten. (...) Bis zu seinem Tod hielt sich der Erblasser außer in der Bundesrepublik Deutschland in ... (Österreich) auf, wo er unter anderem eine Wohnung besaß und mit seinem Hauptwohnsitz gemeldet war.
Am 1.3.2003 verfasste der Erblasser in ... (Bundesrepublik Deutschland) unter Hinzuziehung von drei Testamentszeugen ein mit Schreibmaschine geschriebenes, eigenhändig unterzeichnetes Testament, mit dem er sämtliche bisherigen letztwilligen Verfügungen, soweit sie mit dem Folgenden in Widerspruch stehen, widerrief. Ferner ordnete er an, dass sein gesamtes Vermögen der noch zu gründenden Klägerin als seiner einzigen Erbin zukomme. (...)
Die Klägerin wurde am 14.5.2003 errichtet und am 15.7.2003 in das beim Landesgericht Salzburg geführte Firmenbuch eingetragen. Die Beklagte übertrug der Klägerin drei Grundstücke im Wert von über einer Million Euro, Wertpapiere im Wert von 8.500.000 EUR sowie 100.000 EUR an Bargeld.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, aufgrund des Testaments vom 1.3.2003 Erbin des Verstorbenen zu sein. Mit dieser letztwilligen Verfügung habe der Erblasser seine letztwillige Verfügung vom 9.7.1973 wirksam widerrufen. Das Testament vom 1.3.2003 sei nach dem aufgrund Internationalen Privatrechts anzuwendenden österreichischen Recht formwirksam. Aus der Anwendung des österreichischen Rechts ergebe sich auch, dass das Testament vom 1.3.2003 der Beklagten nicht gemäß den §§ 2271 Abs. 1, 2296 Abs. 2 BGB hätte zugestellt werden müssen. Im Übrigen könne sich die Beklagte auf eine mangelnde Zustellung auch nicht berufen, da sie während der gesamten Besprechung des Inhalts der Verfügung und während der Abgabe der Erklärung des Erblassers vor den Testamentszeugen im Wohnzimmer (...) anwesend gewesen sei. Abgesehen davon sei die in dem gemeinschaftlichen Testament enthaltene Verfügung des Erblassers nicht wechselbezüglich, da die Beklagte im Gegensatz zum Erblasser im Zeitpunkt der Testierung über kein wesentliches eigenes Vermögen verfügt habe. Der Erblasser habe die vermögenslose Beklagte nicht allein deshalb zu seiner Erbin bestimmt, weil auch sie ihn als ihren Erben eingesetzt habe. <..>
Aus den Gründen
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin ist nicht aufgrund des Testaments vom 1.3.2003 Erbin des Ehemanns der Beklagten geworden, sodass ihr weder Ansprüche auf Auskunft (§ 2027 BGB) noch auf Herausgabe des Nachlasses (§ 2019 BGB) zustehen und sie auch nicht als Erbin festzustellen ist. Das Testament vom 1.3.2003 ist zwar wirksam.
Gemäß Art. 26 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 EGBGB, Art. 1 Abs. 1 Buchstabe c) und d), Art. 2 des Haager Übereinkommens über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht (TestFormÜbk) vom 5.10.1961 (BGBl 1965 II S. 1145) ist eine letztwillige Verfügung, durch die eine frühere letztwillige Verfügung widerrufen wird, hinsichtlich ihrer Form gültig, wenn sie den Formerfordernissen des Rechts eines Ortes entspricht, an dem der Erblasser im Zeitpunkt, in dem er letztwillig verfügt hat, oder im Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Dies ist hier das österreichische Recht. Der Erblasser hatte am 1.3.2003 einen Wohnsitz in Österreich. Der Begriff des Wohnsitzes richtet sich nach dem Recht, das an diesem Ort gilt (Palandt/Thorn, BGB, 68. Aufl., Art. 26 EGBGB Rn 4), das heißt vorliegend nach österreichischem Recht. Das österreichische Recht nimmt einen Wohnsitz einer Person dort an, wo sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht tatsächlich aufhält, einen bleibenden Aufenthalt zu nehmen (§ 66 Abs. 1 Satz 2 der österreichischen Jurisdiktionsnorm, nachfolgend JN). Die Absicht muss nach außen erkennbar sein. Möglich ist es auch, sich an mehreren Orten in der Absicht, sie zum jeweiligen Lebensmittelpunkt zu machen, niederzulassen (§ 66 Abs. 3 JN; siehe auch Fasching, Zivilprozessrecht, 2. Auflage, 1990, Rn 273). Die Anmeldung des Wohnsitzes ist nicht erforderlich, stellt jedoch einen gewichtigen Hinweis auf dessen Begründung dar. Nach den bindenden Feststellungen des angefochtenen Urteils (§ 529 Abs. 1 ZPO) verbrachte der Erblasser nicht nur "viel Zeit" in .... Er besaß dort auch eine Wohnung und war unter der dortigen Adresse im zentralen Melderegister mit seinem Hauptwohnsitz gemeldet. Damit ist ein Wohnsitz im Sinne des österreichischen Rechts in .....